Lieber Vamandas, Ich glaube es ist die Zeit gekommen, Ihnen ein paar deutliche Worte zu sagen. Ich glaube, Sie brauchen das. […] Vamandas, Sie müssen sich selbst klar halten und klar machen: westliches Denken kennt den Begriff „atma“ überhaupt nicht, nur dämmernd geahnt (Eckhart). Bhakti ist nirguna, ist also: (1) weder eine Funktion der Seele, des Geistes, des Bewusstseins, noch des Gemütes. Schon die erste Stufe der Bhakti ist nirguna. […]. Wie viel mehr muss also Sadhusanga, Bhajana oder Ausübung von Bhakti als Sravana, Kirtana, Smarana etc. nirguna sein. Es ist also nicht das Gemüt, Herz, Seele, das „Ich“, das Sraddha hat, sondern der der Seele, dem Geiste, dem Gemüte völlig unbekannte atma, der Sraddha hat. (2) Diese nirguna Bhakti (die höher als Mukti im engeren Sinne (= SelbstErkenntnis) ist, da diese Mukti ein bloßes Beiprodukt der Bhakti ist), ist nun nicht einmal die Funktion des freien atma, sondern eine Gabe, die aus Gottes Gnade stammt. Es ist des nirguna Krsna’s Gnadengeschenk; dieselbe Kraft der Erkenntnis, durch die Er sich selbst weiß, erkennt, wenn sie von Ihm geschenkt den atma berührt, strahlt auf Ihn zurück und dieses „Stück“ dieser Gnadenkraft heißt dann Bhakti, ist aber wesentlich nichts anderes als Seine eigene sakti, durch die Er sich im Falle der Bhakti durch das Medium des atma hindurch selbst erlebt, erkennt etc. […] Weder also Gemüt, Herz, Seele Bewusstsein noch irgendetwas, was wir empirisch sind oder fühlen, kann also Seva tun oder sich als „Krsnadas“ wissen oder wähnen. Es kann also keine Spaltung im empirischen „Ich“ zwischen Karl und Krsnadasa geben. „Krsnadasa“ ist eine Anrede an den atma, das Wesentlichste im Menschen, das schon außermenschlich ist. Weder Gemüt noch Seele etc. ist „Krsnadasa“. Unter dem Einfluss von Maya meint der atma, er sei Seele, Geist, Gemüt, Leib etc. Da er sofort mit seiner Abwendung von Ihm, mit dem mayageformten gunamaya sthula- und linga-sarira in Verbindung kam, so wie Feuer mit Eisen, das rotglühend wird, so wird Geist und Leib voller Leben scheinbar durch den Kontakt mit dem atma. Der atma wähnt sich Geist und Leib, und Geist und Leib wähnen sich atma. „Ich“ ist also das Resultat einer wechselseitigen Missidentifikation. […] Wenn also der Geist, die Seele, das Bewusstsein etc. sich sagt „ich bin ja gar nicht Karl, sondern Krsnadas“, so ist das Unsinn, und solche Bewusstseinsspaltung innerhalb des Gemüts ist das Ergebnis von Unwissenheit über den Atma-Begriff und Bhakti. Deshalb ist die Frage: „Wie soll ich dienen?“, so sinnlos, denn „ich“ kann eben niemals dienen. Die Shastras legen eine strikte Disziplin auf, was das „Ich“ zu tun habe – denn außer diesem empirischen Ich kenne ich nichts – falls der atma aus seiner Unwissenheit heraus durch Seine Eigene Selbsterkenntniskraft in Gnade zum ersten Male angerührt wird – was sich als sraddha, der ersten Stufe von Bhakti, äußert. Ein äußerlich völlig normales Leben, was wir sind und haben, als uns von Krsna gegeben wissen und als treue Verwalter nach dessem Wohle schauen – nicht, weil es unser Leib und unser Gatte ist, sondern weil Gott ihn uns als Gatten gegeben hat. Unser Haus und Leben muss besser und glücklicher sein als derer, die diesen sraddha nicht haben. Dazu: Hören des Bhagavat, Singen des Namens. […] Die nächste Stufe ist – – Krsna selbst löst die Probleme des atma-Lebens, d.h., wenn der atma beinahe erwacht ist. Was wir zu tun haben? Gar nichts. Er tut alles. Weltliche Probleme? Er löst keine, wir müssen sie selbst lösen. Karl weint um seiner selbst willen, nicht um Krsna´s willen. Der atma ist Krsna’s dasa, nicht die Seele, das Gemüt. Der erwachte atma weiß – ich bin Krsnadasa, nicht das Gemüt; das Gemüt, die Seele weiß – ich bin das Ergebnis von Unwissen, von Maya. Ich habe keine selbständige Existenz. Der Karl muss dem Krsnadasa dienen, so wie der Schulze dem Sadananda. Das geschieht aber ohne Bruch in unserem Dasein für die Augen der Welt. Was Sadananda ist, wird Sadananda nie nach außen preisgeben, es ist ein Geheimnis. Die Außenwelt sieht den Hinduschulze – und Sadananda trägt alle Sorge, dass die Außenwelt bloß den Hinduschulze sieht. – Doch diese nächste Stufe ist noch fern und unzugänglich für Karl. Dass ich „Krsnadasa“ ihn anrede heißt: In Dir ist ein atma, der Krsnadasa ist und heißt. Was er ist, muss Dir für immer unbekannt bleiben, denn die Seele vermag den atma nie zu erkennen. Doch Du, Du Seele Karl, falls Du tust, wie für Deine Stufe die Shastra-s sagen, brauchst Dich nicht um die Ergebnisse Deines Tuns zu grämen; tue Deine Pflicht. Der Karl wird vergehen, seine Seele zu Staub; in Dir ist der ewige atma, Krsnadasa, er wird einst erwachen, gräme Dich nicht. Du bist Verwalter. Nimmt Er Sein Eigentum zurück, oder verschwendet Er es, Sein Eigentum. – Sie im Westen leiden alle am „Mystizismus“. Bhakti ist Erkenntnis in Form Seiner Eigenen Selbst-Liebe. Bhakti kennt kein Im-Dunklen-Tappen über die Welt und uns selbst. Sentimentalität, Frömmigkeit, ist der Tod aller Bhakti.
(Auszug aus einem Brief von Sadananda, geschrieben 1954 in Indien; Namen geändert) © Kid Samuelsson 2006
Immer, Sadananda