Das Gaudiya Glaubensbekenntnis

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Übersetzt aus dem SREE SAJJANA-TOSHANI--DER HARMONIST,September 1934

Es ist wahrscheinlich der hoffnungsvollste Charakterzug der westlichen Mentalität, dass sie selbst jetzt damit rechnen, von „Männern aus dem Osten“ erleuchtet zu werden. Hinter dieser Einstellung steckt eine spirituelle Tradition, aber die Ausbeutung der indischen Schriften durch die wohlgesinnten Savants (gelehrte Personen, insbesondere  angesehene Wissenschaftler) des Westens haben bisher nicht dazu geführt, dem Denken und Handeln der westlichen Welt einen wirklich neuen Blickwinkel zu geben. Im Gegenteil, es ist Indien, das nicht nur von der materiellen Zivilisation im Westen spürbar beeinflusst wurde sondern nicht zuletzt auch von den Spekulationen europäischer Gelehrter auf dem Gebiet des indisch philosophischen und religiösen Denkens.

Offensichtlich zeigt der Empfang, der  unseren Predigern in Europe zuteil wird, dass man dort mit den neumodischen Interpretationen der indischen Religion nicht zufrieden ist. Die Menschen wollen von denen lernen, die einen lebendigen Glauben an das besitzen, was sie anderen beibringen wollen. Viele Wissenschaftler in Europa nehmen an, dass die transzendentalen Ansprüche der Religion nichts weiter sind, als die Überbleibsel veralteter Kulturen. Die sogenannte höhere Kritik (Historische Kritik*) der Bibel, versucht dementsprechend die Lehre Christi auf rein weltliche Angelegenheiten zu reduzieren. Trotz der entgegengesetzten Lehre von Christus sieht es so aus, als ob seine heutigen Anhänger sehr wenig praktisches Interesse daran haben, die Belange des Lebens einem höheren Ziel unterzuordnen. Die Bibel jedoch ist reich an Passagen, die verkünden, dass die Bindung an die Besitztümer dieser Welt nicht nur wertlos ist, sondern auch ein eindeutiges Hindernis auf der Suche nach der Wahrheit darstellt. In der Bibel gibt es Hinweise darauf, dass Christus keine  Rangordnung erschaffen wollte, die dazu führen würde, dass Menschen die Besitztümer dieser Welt lieben.

Dies sind die tieferen Fragen, die durch die Lehren Christi aufgeworfen werden. Der bloße materielle Wohlstand bietet nicht einmal von sich aus die Garantie, das er beständig ist, auch wenn es letztendlich unerwünscht ist. Materieller Wohlstand ist voll von unheilsamen Bedingungen, die für seine Erhaltung nötig sind. Für jene Nationen, die in der materiellen Zivilisation am meisten Fortschritt gemacht haben ist nichts klarer, als dies. Es zeigt sich, dass das Böse eine unbändige Tendenz hat zuzunehmen, gerade wenn man sich sehr bemüht es loszuwerden. Das Böse hat auch die Eigenschaft, schnell die Form des Mittels anzunehmen, das zu seiner Heilung entwickelt wurde. Ein Großteil der gegenwärtigen Formen des Bösen existiert in den Formen seiner früheren Heilmittel. Diese Ironie übertrifft alle Versuche, die das menschliche Gehirn entwickelt hat, um das reine Gute in dieser Welt zu beschützen. Es entspricht durchaus der Tendenz unserer Erfahrung, dass die neuen Heilmittel gegen das Böse, die im Moment mit so viel Überzeugung vorgeschlagen werden, schon bald das Schicksal der alten Mittel teilen werden, die sie eigentlich verdrängen sollen.

Dieser irreführende negative Hintergrund der positiven Realität ist jedem bekannt. Aber es muss irgendwo eine positive Ebene geben, die der wirkliche Ankerplatz ist, der von diesen negativen Bedingungen geleugnet wird. Jeder sollte die Möglichkeit haben diese positive Ebene zu erreichen. Die verschiedenen Religionen befürworten scheinbar unterschiedliche Methoden, diese Ebene zu erreichen und diese Methoden werden von ihren jeweiligen Anhängern hoch geschätzt und praktiziert. Aber das Elend der Welt scheint sich nicht  zu verringern. Kann es nicht auch möglich sein, dass das Böse genau die Formen der Religionen angenommen hat, die ursprünglich dazu gedacht waren, die Menschheit auf die positive Ebene des höheren Lebens zu heben?

Wir haben in den letzten 30 Jahren auf den Seiten dieses Journals klar und systematisch über die Notlage der Religionen in den Händen ihrer Pseudo-Anhänger gesprochen. Wir missbilligen keine Religion, unsere Bemerkungen beziehen sich nur auf das Prinzip des Bösen, das sich im Gewand der Religion verkleidet. Die Pseudoreligionisten haben immer versucht, ein klares Gespräch speziell zum Thema Religion zu verhindern. Sie sind die größten Feinde der Religion. Die Intoleranz des Bösen im Gewand der Religion darf nicht mit der Intoleranz der Religion selbst verwechselt werden.

Wir müssen die konkrete Realität suchen. Wir sind nicht zufrieden mit Methoden, die nicht konkret und eindeutig sind. Den Schatten mit dem Schatten zu jagen war in der Tat fatal. Wir haben in dieser sachlichen Welt keinen Platz für Unpersönlichkeitsdenken und Idealismus. Der Unpersönlichkeits-Anhänger und der Idealist meiden die wahren Tatsachen des Lebens. Wir dürfen ihre Haltung auf der Suche nach dem Absoluten nicht auf uns übertragen.

Zum Beispiel dürfen wir nicht erschrecken wenn uns gesagt wird, dass Kṛṣṇa der eigentliche Name des Absoluten ist,  aber zur selben Zeit dürfen wir auf keinen Fall vermeiden, das persönliche Absolute zu verstehen.

Es wird jedoch nicht nahegelegt, die Aktivitäten in dieser Welt aufzugeben, wenn man das Absolute erforschen möchte. Die Aktivitäten dieser Welt sind Produkte der Überzeugungen und Fähigkeiten des Menschen. Das Schicksal des Menschen, sowohl weltlich als auch spirituell, ist das Ergebnis seines eigenen karmas, das der göttlichen Vorsehung unterliegt. Kṛṣṇa mischt sich niemals in die völlige  Entscheidungsfreiheit eines Menschen ein. Es gibt immer die Möglichkeit, dass ein Mensch so etwas wie eine grundlose Abneigung gegen die Wahrheit entwickelt. Eine solche Abneigung kann nur bedauert werden. Dies ist das einzig Böse. Es ist Verdrehtheit und Beleidigung sowohl gegenüber Kṛṣṇa als auch gegen das eigene wahre Selbst. Aber es steht jedem Menschen frei, gegen sich selbst vorzugehen. Offensichtlich wird ein solcher Kurs jedoch unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Der verdrehte Mensch fühlt sich in jeder Lage fehl am Platze, was er selbst verschuldet hat.

Śrī Kṛṣṇa Caitanya sagt, dass die Dinge dieser Welt an sich weder falsch noch böse sind. Sie sind sehr real und sehr gut für jemanden, der sich darum kümmert, ihre richtige Natur zu verstehen und entsprechend mit ihnen umgeht. Man kann die wahre Natur, egal von was, nicht verstehen, wenn man sich nicht bemüht Kṛṣṇa zu verstehen. Man kann sich  nicht einmal selbst erkennen, ohne Kṛṣṇa zu erkennen. Die Wahrheit kann nur zu Seinen Bedingungen erkannt werden. Das ist Seine Natur. Unsere wahre Bestimmung ist es uns hinzugeben und von Ihm beherrscht zu werden. Kṛṣṇa ist der Name Gottes und der Name ist mit Ihm identisch. Wir werden dies verstehen, wenn wir bereit sind, uns auf die Suche nach der Absoluten Wahrheit zu begeben. Unsere gegenwärtigen Fähigkeiten lassen uns die Wahrheit in dieser Welt nur als negativ anwesend erkennen. Wir können uns der Wahrheit mit den Fähigkeiten, die wir jetzt besitzen, nicht positiv annähern. Daher ist es notwendig, um Seine besondere  Gnade zu bitten, um ihn so zu erkennen, wie Er wirklich ist. Der Name Kṛṣṇa ist das positive Absolute. Er darf nicht mit einem negativen Wesen verwechselt werden.

Zum Beispiel brauchen wir uns weder um die etymologischen historischen Zusammenhänge des Wortes 'Krishna' kümmern, noch sollten wir unnötigerweise annehmen, dass der Name des Absoluten eine weltliches Wesen ist. Es besteht auch eine entsprechende Gefahr der entgegengesetzten Art. Wir dürfen nicht zugeben Kṛṣṇa zu kennen, bis es Ihm gefällt Sich uns zu zeigen. Wir müssen jede Heuchelei vermeiden. Das erste, was für uns notwendig sein wird, ist mit jenen Personen Gemeinschaft zu pflegen, die sich  in Wort und Tat als Diener Kṛṣṇas bekennen. Wenn wir enge Gemeinschaft mit solchen Personen kultivieren, die ihren Blick auf die Absolute Wahrheit im Geiste unangefochtener Demut gerichtet haben, um sie zu erkennen, dann sind wir mit Sicherheit in kurzer Zeit mit ihrer Sicht gesegnet. 

Kṛṣṇa kann uns nur durch Seinen Namen offenbart werden. Wir sollten uns daher dem Namen nähern, indem wir Ihn von denen hören, die in der Lage sind, ihn zu wiederholen. Das ist die Zusammenfassung der Lehren  Śrī Krishna Caitanya. Dies ist das Gaudiya-Glaubensbekenntnis.

* Historische Kritik, auch als historisch-kritische Methode oder höhere Kritik bekannt, ist ein Zweig der Kritik, der die Ursprünge antiker Texte untersucht, um "die Welt hinter dem Text" zu verstehen.

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