Diskurs über Gott: Das Wort ist Gott

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(Von Prof. Nishi Kanta Sanyal M. A.Bhaktisastri)

Die meisten Menschen reden gerne. Die Meinungsfreiheit ist eines der Grundrechte in allen zivilisierten Ländern.

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Die moderne Zeitung kommt der Drang zum Geschwätz entgegen. Aber auch Grundsatzreden und private Diskurse sind an der Tagesordnung. Das Christentum besitzt heute von allen Religionen die beste organisierte Einrichtung zur systematischen Auseinandersetzung mit dem Thema Religion. Nicht alle Gespräche sind nützlich und es könnte Gespräche geben, die auf jeden Fall schaden. In einigen Ländern sehen sie die Notwendigkeit, schädliches und reaktionäres Gerede zu unterbinden. Zeitungen gehören jetzt Parteien, um bestimmten Interessen zu dienen. Es steht ihnen keineswegs frei zu reden, wie sie wollen, oder auch nur so zu reden, wie sie es für richtig halten. Eine solche indirekte Kontrolle der Redefreiheit beruht nicht darauf, dass gute und nützliche Gespräche geringgeschätzt werden.  Obwohl der Wert von Reden oder Vorträge allgemein anerkannt und Reden in großem Umfang für jeden Zweck praktiziert werden, ist die Welt nicht daran gewöhnt, Vorträge über die Transzendenz zu hören, und ahnt noch nicht die enormen Möglichkeiten einer solchen Praxis.

Was bedeuten nun diese transzendentalen Reden oder Vorträge?

Erstens ist es fast überall auf der Welt eine hinreichend vertraute Vorstellung, dass Botschaften über Gott in Form des Wortes oder der Schriften in diese Welt kommen. Das Wort Schriften korrespondiert in Sanskrit mit dem Wort „śruti“, was etymologisch so viel bedeutet wie-- „das, was das gehörte transzendentale Wort enthält“.

Das Śrīmad-Bhāgavatam berichtet über die Taten Gottes während Seines verschiedenen Erscheinens in dieser Welt. Das Śrīmad-Bhāgavatam lädt uns ein, diese Erzählung zu hören und zu diskutieren und erklärt, dass, es allein durch solche Gespräche und durch solches Hören für jeden Menschen dieser Welt möglich ist, Zugang zur Ebene der Transzendenz zu bekommen.

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Gleichzeitig wird anerkannt, dass es eine Methode gibt, mit der transzendentale Diskurse geführt werden sollen. Das Śrīmad-Bhāgavatam unterscheidet zwischen transzendentaler Rede und allen anderen Reden, die uns so vertraut sind. Transzendentale Reden kommen nur durch das richtige Medium zum Vorschein, einer Person deren Leben ganz dem Dienst Gottes gewidmet ist. Und auf der anderen Seite kann der Dienst Gottes nicht auch von denen praktiziert werden, die keinen Zugang zur Ebene der Transzendenz haben, welcher nur durch die richtige Art des Hörens transzendentaler „Gespräche“ erhältlich ist. Das transzendentale Gespräch für sich genommen, ist der sichtbare, hörbare Körper der Transzendenz. Er bringt sich in das transzendentale Wesen unserer Natur ein und lässt die spirituelle Aktivität unserer reinen Seelen hervortreten. Allein diese Tätigkeit ist Dienst an Gott. Das Wesen einer solchen Aktivität kann von denen nicht verstanden werden, die keinen Zugang zu ihrer übernatürlichen Ebene haben. Die großartige These, die in ihrer Art einzigartig ist und uns vom Śrīmad-Bhāgavatam  angeboten wird, ist, dass Religion im transzendentalen Dienst Gottes ruht, der sich das Recht vorbehält, den menschlichen Sinnen nicht ausgesetzt zu sein.

Damit stellt sich sofort das Problem, wie es mit unseren derzeitigen Sinnen überhaupt möglich sein kann, Gott zu dienen. Mit anderen Worten, dies führt zu der Frage nach der Methode, wie man Ihm dienen kann. Das Śrīmad-Bhāgavatam geht davon aus, dass seine Leser bereit sind, zuzugeben, dass es notwendig ist, Gott zu dienen. Diejenigen, die an die Notwendigkeit einer kosmischen Ordnung zur Verwirklichung der höchsten und besten Bestrebungen der Menschheit glauben, kommen nicht darum herum, sich langfristig der Lehre vom Dienst am Ewigen anzuschließen. Die Menschen dieser Welt leben nicht für sich allein. Sie leben auch für ihre Familie, für ihr Land, für die Menschheit und für Gott.

Das Śrīmad-Bhāgavat sagt, dass es für niemanden möglich ist, für Gott zu leben, außer auf der Ebene des ewigen Lebens. Und es besagt, dass der einzige Zweck des menschlichen Lebens darin besteht, auf der Ebene eines solchen Dienstes Fuß zu fassen, und dass alle anderen Probleme des sterblichen Daseins automatisch durch die Erlangung eines solchen Dienstes gelöst ist. Natürlich ist es für einen oberflächlichen Beobachter nicht möglich zu verstehen wie die Lösung der Probleme der weltlichen Existenz im transzendentalen Dienst Gottes aussehen könnte. Daher wurde das Leben des Dienens immer von unwissenden und interessierten Parteien missverstanden und falsch dargestellt.

Wir schlagen daher in diesem kurzen Artikel vor, zwischen einem Leben zu unterscheiden, das für Gott geführt wird, und einem Leben, das für irgendeinen anderen Zweck geführt wird. Am besten nähert man sich der Frage, indem man die Methoden auseinanderhält, die zur Erlangung der jeweiligen Lebensformen verfolgt werden. Ich werde meine Beobachtungen auf das Gebiet der Religion beschränken. Die gegenwärtigen Religionspraktiken bieten so viele Konzepte über die Natur des Dienstes zu Gott, wie es Lebensweisen in dieser Welt gibt. Das Thema des weltlichen Lebenswillens bleibt also nicht ungeklärt, wenn eine vergleichende Untersuchung der Religion hinsichtlich der Recherche angeboten werden soll.

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Beginnen wir mit der Feststellung des universellen Objekts (Gegenstands) der Religion. Es kann kurz gesagt als die Suche nach der Absoluten Wahrheit bezeichnet werden. Das Wort Wahrheit selbst muss erklärt werden. Das entsprechende Sanskrit-Wort ist satya, dessen etymologische Bedeutung das Prinzip der dauerhaften bedingungslosen Existenz oder der Existenz an sich. Wahrheit ist eins. Wahrheit ist Bewusstsein als Substanz. Wahrheit manifestiert sich als dominierendes und beherrschtes Bewusstsein. Wahrheit ist real.

All dies wird durch das Wort satya impliziert (beinhaltet), in dem das Prinzip der dauerhaften Existenz betont wird, während die anderen Teile der Konnotation* notwendigerweise impliziert sind.

*Die Konnotation ist die Nebenbedeutung eines Wortes, Ausdrucks oder (seltener) eines Textes und anderer Dinge. Der unter Sprachwissenschaftlern umstrittene Begriff meint meist die Gefühle und Assoziationen, die ein Wort oder Ausdruck hervorruft, also das, was man damit verbindet oder was „mitschwingt“  Anm. d. Übers.

Aber die Sache an sich muss sowohl absolute Objektivität als auch absolute Subjektivität besitzen. Daher sollte allein die Methode der Wahrheitssuche uneingeschränkt akzeptiert werden, die das Wesen der Sache nicht verfälscht. Die Absolute Wahrheit muss auch von scheinbaren und begrenzten Wahrheiten unterschieden werden. Die Methoden der Suche nach den in dieser Welt geltenden Wahrheiten sowohl im Bereich der weltlichen Forschung als auch der religiösen Spekulation zielen im Allgemeinen auf die Ermittlung begrenzter Wahrheiten ab.

Bei dieser empirischen Methode sind drei Phasen zu unterscheiden, die von den śāstras als pratyaksha, paroksha und aparoksha -Methoden bezeichnet wurden. Die pratyaksha-Methode beruht auf der direkten Sinneswahrnehmung des Wissenden als einzigem Weg, die Wahrheit zu erkennen. Die paroksha-Methode stützt sich mehr auf die Sinneserfahrung anderer Personen und ist die gewöhnliche Methode der induktiven (vom Einzelnen zum Allgemeinen schlussfolgern, Anm. d. Übers.)Wissenschaft. Bei den pratyaksha und paroksha Methoden ist es möglich, die Wahrheit als Objekt der Wahrnehmung zu erreichen, aber das so erreichte Objekt hat sehr wenig mit seiner Transaktion (wechselseitigen Beziehung Anm. d. Übers) als Subjekt zu tun.

*pratyaksha (empirisches Wissen), paroksha (vermitteltes Wissen oder indirekte Erkenntnis) und aparoksha (transzendentes Wissen)

Die Sache an sich (die Wahrheit) wird in diesen Fällen von unseren Sinnen mechanisch berührt und hat keine Alternative, als sich einer solchen Annäherung zu unterwerfen. Seine einzige Subjektivität besteht in seiner völligen Passivität. Dies macht die Erkenntnis selbst unvollständig, wenn unsere Definition von Wahrheit, die sowohl das volle Maß an Objektivität als auch an Subjektivität beinhaltet, akzeptiert wird. Indem wir uns mit unseren Sinnen einem Objekt nähern, werden wir auf die Notwendigkeit reduziert, uns mit dem einseitigen Eindruck eines lokalen und temporären Wesen zufrieden zu geben.

Die aparoksha-Methode versucht, diese Unzulänglichkeit der beiden vorangehenden Methoden zu vermeiden. Sie beruht auf die Unzulänglichkeit aller Erfahrungen durch die Wahrnehmung. Die Wahrheit besitzt nur subjektiven Charakter und entbehrt jeglicher Objektivität. Diese Methode erklärt, aus dieser Annahme heraus, die zweifelsfreie Tatsache, weshalb das Ding an sich kein Objekt der Erkenntnis sein kann.

Es beinhaltet die weitere Annahme, dass die Wahrheit keine Initiative besitzt, durch die sie von einem anderen Wesen erkannt werden kann, da es in diesem Fall überhaupt kein zweites Wesen geben kann. Das ist die Doktrin der Unpersönlichkeit.

Die gegenwärtigen religiösen Ansichten und Überzeugungen der Welt lassen sich in die eine oder andere dieser drei Recherchen einordnen. Die Ergebnisse dieser Recherchen werden befolgt, wodurch die religiösen Ansichten und Überzeugungen erlangt und befolgt werden.

Das Bhagavat akzeptiert keine dieser Methoden. Es glaubt nicht, dass die Wahrheit durch die Methode der direkten oder indirekten Wahrnehmung oder durch die Abwesenheit der aktiven Wahrnehmung gefunden werden kann. Es fordert alle auf, die oben genannten Methoden aufgrund ihrer offensichtlichen Unzulänglichkeit zur Erlangung der vollständigen Wahrheit abzulehnen. Daher erklärt es die Wahrheit als adhokshaja. Śrī Jiva Gosvami erklärt den Begriff adhokshaja als „jemand, der sich das Recht vorbehalten hat, den menschlichen Sinnen nicht ausgesetzt zu werden“.

Das Wort Adhokshaja wird im Bhagavata immer als  Äquivalent zu Gott verwendet.

sa vai puṁsāṁ paro dharmo

yato bhaktir adhokṣaje

ahaituky apratihatā

yayātmā suprasīdati               (ŚB 1.2.6)

Die höchste Beschäftigung [dharma] für die ganze Menschheit ist die, durch die Menschen liebevollen hingebungsvollen Dienst für den transzendenten Herrn erlangen können. Solch ein hingebungsvoller Dienst muss unmotiviert und ununterbrochen sein, um das Selbst vollständig zufriedenzustellen.

sattvaṁ viśuddhaṁ vasudeva-śabditaṁ

yad īyate tatra pumān apāvṛtaḥ

sattve ca tasmin bhagavān vāsudevo

hy adhokṣajo me namasā vidhīyate      (ŚB 4.3.23)

Ich bin immer damit beschäftigt, Lord Vāsudeva im reinen Kṛṣṇa-Bewußtsein Ehrerbietungen darzubringen. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist immer reines Bewußtsein, in dem sich die Höchste Persönlichkeit Gottes, bekannt als Vāsudeva, ohne jede Hülle offenbart.

bhejire munayo ’thāgre

bhagavantam adhokṣajam

sattvaṁ viśuddhaṁ kṣemāya

kalpante ye ’nu tān iha         (ŚB 1.2.25)

Früher dienten alle großen Weisen der Persönlichkeit Gottes aufgrund Seiner Existenz über den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Sie beteten Ihn an, um sich von materiellen Bedingungen zu befreien und so den ultimativen Nutzen daraus zu ziehen. Wer solch großen Autoritäten folgt, ist auch für die Befreiung von der materiellen Welt geeignet.

Diese und andere Verse können zur Unterstützung zitiert werden, dass das Bhagavata vorschlägt, sich ausschließlich mit dem Dienst von Adhokshaja-- dem transzendentalen Gott zu befassen. Der Dienst von Adhokshaja impliziert, dass die Absolute Wahrheit ihre eigene Position als Subjekt, die vollkommene Fähigkeit hat, sich selbst zum Objekt der  Erkenntnis zu machen. Nur wenn Er auf unsere Augenhöhe kommt, haben wir die Gelegenheit Ihn zu sehen.

nayam atma pravacanena labhyo

na medhaya na bahudha srutena

yam evaisa vrnute tena labhyas

tasyaisa atma vivrnute tanum svam                

(Katha Upanisad 1.2.23)

„Dieses Höchste Selbst kann nicht durch Argumentation oder durch Anwendung der eigenen unabhängigen Leistung des Gehirns oder durch das Studium vieler Schriften erreicht werden. Vielmehr kann er allein den Höchsten Herrn erreichen, den der Herr bevorzugt. Dieser Person offenbart der Herr seine eigene wahre, persönliche Gestalt.“

Nayam atma balahinena labhyo” – Mundaka Upanishad (3.2.4)

„Das Selbst wird nicht von den Schwachen erlangt (durch Körper, Geist, Intellekt oder Spirit),

Das Absolute zeigt sich uns, – es bleibt für uns auch unerreichbar – je nachdem wie es Ihm gefällt. In dieser Welt posieren wir als subjektive Beobachter regionaler Objekte, aber  Adhokshaja ist kein solches Objekt. Dies weist auf die Unterscheidung zwischen Dienen und Weltlichkeit hin. Im Falle des Dienstes für Gott soll ich meine Dienste dem Herrn anbieten, der sie annehmen soll. Diese Beziehung ist nur zwischen mir und Adhokshaja möglich. Den Objekten, die von den Sinnen wahrgenommen werden, fehlt es an solch vollständiger Subjektivität und Objektivität. Die Tätigkeit, die Adhokshaja angemessen ist, wird bhakti genannt. Im Vorgang des bhakti ist die Stellung des Objektes höher, als die des Subjekts, das den Dienst leistet. Aber Adhokshaja-- das Ziel von bhakti ist sowohl Objekt als auch Subjekt. Er ist Vastava Vastu, die Absolute Realität. Die Eindrücke unserer Wahrnehmung sind avastava, bzw. nicht die Sache Selbst. Die Objekte, die unseren Sinnen zugänglich sind, sind nicht ewig. Sie sind eine vorübergehende Show.

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