Intellekt und Instinkt sind wie nutzlose Glühwürmchen vor der Sonne. Um auch nur ein wenig zu verstehen, muss man zuersteinmal alles vergessen, was man denkt, fühlt oder aus Büchern und Übersetzungen gehört und gelernt hat. Auf Sanskrit wird für „begierig zu hören“ und „begierig zu dienen“ derselbe Ausdruck verwendet (s. Gita 18, 67): „ist nicht einem asusrusu mitzuteilen, jemandem, der nicht zu hören, zu gehorchen und zu dienen bereit ist“.
Von Geburt zu Geburt haben wir einander ausgebeutet und sogar versucht, Gott für unser eigenes Wohl und Glück auszubeuten. Aber in diesem Leben können wir den Versuch machen, zur Freude des Gegenstandes unseres Dienstes und unserer Liebe (Krsna), dienen zu lernen – ohne darauf zu hoffen, dass dabei etwas für uns abfällt. Dienen als Ziel und nicht als Mittel zu einem Zweck. Reiner Intellektualismus führt zur Vorstellung eines trockenen „blutleeren“ und leblosen Gottes. Reine Sentimentalität führt zu hohlem romantischen Mystizismus. Denken Sie daran, dass wann immer eine Gottesoffenbarung erfolgt, diese vollkommen klar und deutlich sein wird. Sollte sie unser Begreifen und Verstehen übersteigen, wird diese Offenbarung uns mitteilen, warum dies so ist und wie durch Seine Anleitung ein Weg beschritten werden kann, um deutliche und klare Vorstellungen und Ansichten zu erlangen. Poetischer und mystisch-nebulöser Romantizismus haben der Sache der Religion mehr geschadet als der entschiedenste Atheismus. Der Blick auf uns selbst und die Welt lehrt uns, dass da etwas nicht stimmt – irgendwo ist da ein Missverständnis. Das Problem besteht darin, dass wir nicht wissen, wer wir sind. Unsere Instinkte und unser Begehren, selbst glücklich zu werden, zwingen uns dazu, Sklaven unserer Intuitionen (unserer momenthaften Einsichten) zu bleiben. Deshalb muss uns Religion – wenn sie überhaupt von irgendeinem Wert sein soll – vermitteln, wer wir sind und worin die Beziehung unseres Körpers, unserer individuellen Seele, unseres Bewusstseins [mind], unseres Verstandes und Herzens zum Atma besteht, der unter die Bedeckung von Körper und Geist [mind] geraten ist. Wir müssen den Stolz aufgeben daran zu glauben, dass wir in dem unendlichen System der Welten Geschöpfe von solcher Wichtigkeit wären, dass Gott so sehr mit den kleinen unbedeutenden Angelegenheiten unseres Lebens beschäftigt sein müsste – solange, bis wir nicht über die Stufe vernunftbegabter Tiere, denen es nur um ihre intellektuelle und gefühlsmäßige Befriedigung geht, hinausgelangen. Der Sand im Stundenglas meines Lebens verrinnt schnell. Ich wünschte ich wäre bei Euch und könnte Euch einige Dinge in klaren und deutlichen Worten mitteilen – welche Euch zuerst nicht gefallen würden, weil die Offenbarungen Gottes schockierend sind und uns vernichte: Ansehen [admiration], Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit. Aber es ist wie eine Operation auf Leben und Tod – wenn wir vor ihr weglaufen, dann wird es zu spät sein. Niemand, der den einsamen Pfad des Gottdienens und der Gottesverwirklichung beschreitet, kann seine Vorstellungen, Gefühle und Instinkte behalten, die er umsorgt [fondles] und nährt wie einen Säugling – diese verdrehten Vorstellungen und Mystizismus, die nur sinnloser Ballast sind. NIEMAND kann beiden gefallen – Gott und der Welt und sich selbst. Jeder muss sich genau beobachten – traut weder Eurem eigenen Geist [mind] noch dem derjenigen, die nicht bereit sind, Gott ohne die Erwartung irgendeiner Gegenleistung zu dienen.
(Brief von Sadananda aus den 60igern)
Aus dem Englischen ins Deutsche: Katrin Schnell
© Kid Samuelsson, November 2003