Was ist Rasa?

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Weltlicher Rasa beruht auf einer bestimmten Technik des Dichters, der selbst einen ästhetischen Genuss erlebt und dessen Werk in dem Hörer einen Genuss hervorruft. Je nach der Art des Genusses, sei es ein Sinnlichkeit aufstachelnder Genuss oder ein feinere menschliche Gefühle auslösender Genuss, es ist Genuss (Bhoga).

Gathering pieces of the partition in poetry for world audience - Hindustan  Times

Gottes Rasa ist das gerade Gegenteil davon. Der Bhakta, welcher Bhakti hat, also die Kraft des Dienens, ohne auch nur die geringste Spur von Erwartung von Freude oder auch nur des Annehmens von Freude für sich selbst, dient mit Augen, Herz, Ohren etc. etc.; der Spieler hier auf der Bhakta-Bühne hat eben diese selbe Kraft des Dienens. Die Darstellung des Bhakti-Dramas oder des Gedichtes etc. ist selbst Dienen ohne jede Erwartung oder Annehmen von Freude. Der Bhakta will also nicht Erleben, Rasa-Schmecken etc., sondern DIENEN, nichts als DIENEN. Krishna will dem Bhakta dienen, der Bhakta will Krishna dienen, ohne Erwartung und Annehmen von Freude.

Im Ewigen Reich ist der Held die Cit-Gestalt Krishna und die Heldinnen die Cit-Shakti-Gestalten der Gopis (beachten Sie den Unterschied). Die LilaSituation ändert sich jeden Augenblick – jeden Augenblick eiliges, neues Dienen. Im Ewigen Reich, Goloka oder Vraja (für eine Zeit sichtbar) löst diese Lila-Situation bestimmte Reaktionen um dessentwillen aus, der Gegenstand des Dienens ist (für Krishna: die Gopis, für die Gopis: Krishna). Dieses Prema DIENEN wird zu Rasa. Weder Krishna, noch die Gopis „erleben“ Rasa als Gegenstand ihres Erlebens; ihr Dienen ist Rasa. Die Reaktionen auf bestimmte Lila-Situationen sind Formen des Dienens; Freude, Trauer, Entsetzen etc. sind nicht Zustände, in die eine Person gerät, die wie in der Welt vor einem Gegenstand des Erlebens steht und etwas erlebt, sondern Freude, Trauer etc. sind WELLEN des Rasa, Wellen des tatsächlichen DIENENS.

Der Bhakta des Bhakta-Dramas dient noch nicht tatsächlich, er dient noch indirekt. Entweder ist er ja noch in einem aus den Gunas der Maya geformten Leib, oder er ist ein Parishada [ein ewiger Mitspieler], der meint, einen GunaLeib zu haben. Er hat im besten Fall Prema-Bhakti, die ihn würdig macht, dass Gott durch diese Prema-Bhakti, Dienen-Wollen, angezogen, Sich ihm als Gegenstand des Dienens offenbart. Wenn er das Drama hört oder spielt, so dient er noch indirekt. Doch wenn auf Grund der Identität des Wortes Krishna [mit Krishna Selbst] oder der Worte, welche die Lila beschreiben oder sie ausdrücken [mit der tatsächlichen Lila], die Lila oder Krishna Selbst aufleuchten, da wird in diesem Augenblick das Dienen-Wollen zum wirklichen Dienen, zum Rasa. Dann erlebt der Bhakta aber nicht Rasa als einen Gegenstand, sondern sein Dienen ist Rasa geworden.

Ob er Freude erlebt, Ananda, weiß er gar nicht, denn er ist ja nicht mit sich befasst, sondern mit dem Dienen Krishnas. Beachten: nicht mit dem Erleben Krishnas oder der Lila, sondern mit dem Dienen. Er ist „Tanmaya“*1 , das heißt, er weiß von sich selbst nichts mehr. Er weiß nur vom Gegenstand des Dienens und dem Dienen selbst. Wenn das Spiel aus ist, erlebt er nicht: „Ach, das war ja ein herrliches Baden in Ananda“, sondern, da das Dienen ja ganz und gar seine Natur, sein Wesen geworden ist, sein Herz, sein Verstand, seine Sinne, sein Atma von der Kraft des Dienen voll und ganz, restlos durchglüht sind (vergleiche die Definition der Bhava-Bhakti, Bh.R.S.)*2 , dient er sofort – wenn auch indirekt – weiter und hat gar keine Zeit, über sich selbst zu reflektieren. Er weint höchstens, dass er nicht würdig ist, besser und mehr zu dienen.

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*1Tat-maya: Dies-gemacht = von der selben Natur, z.B. so wie eine Eisenstange, von Feuer durchglücht, feuriger Natur wird.

*2 Im Bhakti Rasamrita Sindhu heißt es in 1.3.4. (Übers. von Svami Sadananda Dasa): „Die Bhakti als Bhavabhakti ist ganz unabhängig von jeder geistigen Funktion und doch wird sie offenbar in dem empirischen Charakter und geistigen Funktionen des Menschen (manovrittau avirbhuya) und wird eins mit dem Geiste, Charakter, der Individualität (Feuer erhält die Form der Eisenstange, obgleich das Feuer ganz unabhängig seine eigene Kraft und Existenz hat).

Wenn Sie etwa meinten, dass nun als Ergebnis oder als Belohnung des Dienens etwa Wonne-Erleben folgt, dann vergäßen Sie, dass der Bhakta und noch viel mehr eben die Gopi ganz mit Dienen identisch sind und, wie Sie ja wissen, die Gopi ganz aus Dienen besteht. Prema oder Gottesliebe ist keineswegs etwas anderes als Dienen. Es ist Dienen auf Grund einer bestimmten persönlichen Beziehung zu Gott, welcher die Form, Gestalt, Tracht, Benehmen, Charakter entsprechen.

Irdischer Rasa aber der weltlichen Dinge oder der weltlichen Dichtung etc. ist das Resultat der Verwirklichung von selbstischem Begehren, der dann möglich wird, wenn das Objekt, das wir für unsere Lust ausbeuten wollen, sich unserer Ausbeutungslust bietet. Ein Erleben, das uns nicht selbst, unser Lebensgefühl, steigert, bereichert, intensiviert wird eben nie (weltlicher) Rasa, ist einfach uninteressant. Im weltlichen Rasa – beim Orgasmus als sexuelles Tier oder beim Erleben einer Dichtung durch eine fiktive (eingebildete) Identifikation mit einem Helden des Stücks, genießt das Bewusstsein die Situation des zeitweisen Urlaubs von seinem Ich. Rasa-Erleben ist hier Öl in das Feuer der Lust.

Im Bhakti-Rasa hingegen ist nicht nur der Atma längst erwacht, sondern er wird ununterbrochen hingerissen vom Strom des Dienens. Der Parishada hat einen Leib und Geist, die aus Diene-Kraft bestehen, die also gar nicht anders als Dienen können. Der noch auf Erden lebende Premabhakta und der ewige Premabhakta können gar nichts anders, als dienen, sie können gar nicht als Dienende während des Dienens, das ja 24 Stunden jeden Tag währt, auf den bloßen Gedanken kommen: „Ich will erleben, ich erwarte, dass Gott nun meinem Dienen entspricht und mir Freude gibt“. Das Dienen ist Glück, selbst das Leiden ist Glück, wenn Krishna sich dem Dienen entzieht, denn es ist ja nicht (selbstsüchtiges) Leiden um der Einbuße von eigenem Glück willen wie das irdische Leiden, sondern Leiden, weil Krishna sich dem Dienen entzieht, das – wie Er nie müde wird in den Shastrams zu betonen, Ihn Selbst erfreut. Das Leid des Bhakta, wenn er Krishna nicht dienen kann, ist Leid, weil Gott Sich der Freude beraubt.  

Im bhaktilosen Erleben mag einer nach Rasa begehren wollen, doch nie ein Bhakta, der dient. Der Bhavuka [Bhakta auf der Bhava-Stufe] und Rasika [Bhakta auf der Rasa-Stufe], an den die Aufforderung des Bhagavatam geht, „den Rasa des Bhagavatam ... zu trinken“, ist einer, der nichts anderes mehr als dienen kann. Er „trinkt“, das heißt, er hört und versteht, wie die Bhaktas der verschiedenen Stufen IHM dienen, er hört und versteht den Rasa, der das Dienen ist, und im Zentrum dieses Dienens steht dem Bhakta Gott und Gott der Bhakta.

Das „Trinken“ ist eine Form des Dienens; er hört, weil er gar nicht anders kann, um Gott zu erfreuen. Das „Trinken“ ist nicht Genießen oder Erleben eines Zuschauers, der genießt und sich freut und Tränen der Freude weint wie ein Genießer, der ein Drama oder eine Dichtung genießt, sondern das gerade Gegenteil. Nur diejenigen, die diese hohe Stufe des Dienens haben, können überhaupt verstehen und würdigen, was DIENEN heißt. Bei den anderen ist von einer Aktualisierung des Dienens (des Rasa) gar keine Rede.

Es wäre falsch und ein Grundfehler zu meinen, auf Dienen folge dann Erleben von Rasa. Nein, das Dienen, Bhakti selbst, wird Rasa. Dienen als Rasa ist nie Gegenstand des Erlebens, denn das Dienen selbst ist es ja, dass das Dienen als Rasa erlebt. Dienen erlebt Dienen, Rasa erlebt Rasa. Solange einer noch nicht ganz durch die Kraft des Dienens selbst ganz Dienen geworden ist, kann er vom Dienen und vom Rasa überhaupt nichts wissen und wenn er ganz Dienen geworden ist, dann kann er erst recht nicht Rasa erleben, denn dann hat er über dem Dienen gar keine Zeit und Gelegenheit überhaupt an sich selbst und was in ihm vorgeht, zu denken.

Gott schert sich nicht im Geringsten um die, die Gott dienen wollen (???), um Glück zu erleben und damit Gott sie erfreue. Das Wort Bhakti bedeutet Dienen: „Nirguna-Bhakti setzt ein mit Glauben an das Mir-Dienen.“ Es wäre grundfalsch, zu denken, dass das auf einer höheren Stufe umschlage in Erwartung und Wollen, dass Gott einem diene durch Gewährung von Freude! Das sind alles Tiere, die so denken, nach Krishnas Eigenen Worten (Bha. X.32.20).*3

Rasa ist DIENEN, das Rasa wird, wenn sich der Gegenstand des Dienens dem Dienen offenbart. Es ist VERWIRKLICHUNG des Dienens. Deshalb heißt es nicht Rasa, sondern Bhaktirasa, nicht einfach Prema, sondern Premabhakti.

Der einzelne Bhakta dient [Gott] nur auf eine Weise: Gott dient dem Bhakta, der nur Gottes Freude will, auf unendlich viele Weisen. ER dient dem Bhakta nicht, weil Er ihm Glück geben will, sondern wirkliches Dienen, das Glück ist.

Sobald man beim Lesen oder Hören von Rasatexten Freude empfindet, ist man auf Abwegen, auf dem Pfade der Sünde, der Gottlosigkeit, des Ausbeutens der Shastrams. Der Bhakta hat keine Zeit, Freude zu empfinden; sein Gott-Dienen ist seine Freude und im Dienen ist er unersättlich, denn die Kraft des Dienens ist unendlich, ist nirguna, Gottes Eigene Kraft. Daruka und andere verfluchen nicht ihre Freude, denn sie wissen gar nicht, was Freude überhaupt ist. Sie verfluchen, dass das Dienen selbst Freude ist und die Freude, die im Dienen liegt, zuweilen das Dienen stört. Und dass die Freude des Dienens als Störung des Dienens empfunden wird, das ist eben Zeichen rechten Dienens. Daraus folgt, dass jeder, der auch nur ein wenig vom Dienen hat, nie zufrieden mit sich selbst ist, und je mehr er Dienekraft hat, desto weniger meint er, er diene wirklich. Und daraus erklärt sich, dass der Bhakta aus der Kraft des Dienens heraus normalerweise immer so spricht, als sei er auf sein eigenes Glück aus. Nur auf der „Wahnsinnsstufe“ der höchsten Prema, wo Gott, um die Gopis zu einem noch höheren Grad von Dienen aufzustacheln, sie zurückschicken will oder sich unsichtbar macht, enthüllen sie ihre wirkliche Gesinnung.

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* 3 naham tu sakhyo bhajato ’pi jantun bhajamyamisham anuvritti-vrittaye, yathadhano labdhadhane vinashte taccintayanyannibhrito na veda. – „Ich aber, ihr Freundinnen, diene denen nicht, die wie Tiere ohne rechte Erkenntnis sind, auch wenn sie dienen – und zwar deshalb, damit sie echte Neigung zum Dienen erhalten (d.h. sich um ein Dienen mühen, wie Ich es mag), damit sie bloß daran denken und an nichts anderes denken; so wie ein Reicher, der seinen Reichtum verlor, eben an nichts anderes denkt.“ In: Walther Eidlitz: Krishna Caitanya. Sein Leben und Seine Lehre. Stockholm 1968. S. 138.

Das alles muss man sich täglich vierundzwanzig Stunden gegenwärtig halten, bis Dienen zur Natur geworden ist. Man muss sich klar sein, warum Krishna die Liebe der Gopis untadelhaft nennt und was Er zu ihnen und von ihnen und von Sich Selbst sagt.

Wer keine klare Erkenntnis von Atma, Brahma etc. hat und wem die Innen und Außenwelt nicht längst farblos (vairagya) geworden ist, der kann keine Zeile einer Upanishadenstelle, die von Jnana handelt, verstehen. Wer die Kraft des Dienens nicht hat, kann nichts, aber auch nichts vom Rasa ahnen, der Gott ist und der das Dienen selbst ist.

Chapter 1 Ugrashrava visits Naimisharanya Forest | srimadbhagavatamblog

Das Bhagavatam ist nicht das Eigentum einer Strömung. Es sind alle Puranas etc. den vielen Rishis (aus ganz verschiedenen Strömungen) in Naimisharanya vorgetragen worden. Jedes Purana hat seinen bestimmten Gegenstand, und mehrere andere Puranas preisen das Bhagavatam wegen seiner Einzigartigkeit. Die Caitanya-Bhaktas haben anerkannt, dass die Offenbarung selbst das Bhagavatam an die Spitze aller Autorität der Wortoffenbarung stellt.

Caitanya hat die Philosophie Shankaracharyas und seiner Nachfolger, alle Versuche, Gott in das Gefängnis der menschlichen Denkgesetze einfangen zu wollen, abgelehnt und betont, dass Krishna und die Offenbarung die einzige Autorität sind und nicht das erbärmliche menschliche Gehirn eines noch so hohen Bhakta usw.

Wenn es heißt: ER ist Form, und doch ist diese Form „vishnu“, das heißt räumlich, zeitlich und von Denkgesetzen etc. unbegrenzt, so ist das keineswegs ein Sich-Widersprechen der Offenbarung, sondern die Offenbarung spricht nur aus, was und wie Er IST. Auf der anderen Seite erleben die Jnanis und Bhaktas nicht in dem Einen verschiedenen Dinge, sondern dem Jnani, dem Yogi, dem Bhakta steht jeweils die ewige Seinsweise des Einen entweder als weiseloses Brahma oder als Paramatma oder als Bhagavan [und] auch als Isha gegenüber. Diese drei sind ewige Seinsweisen des Absoluten oder des Brahma im vollen Sinn des Wortes.

(Brief von Svami Sadananda Dasa an Vamandas 16.4.1956)

--Fußnoten und Anmerkungen in eckigen Klammern von den Herausgebern dieses Artikel © Kid Samuelsson und Katrin Stamm 2011

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