Leben und Botschaft von Śrī Kṛṣṇa Caitanya

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MEINE VORTRÄGE

IN ENGLAND UND DEUTSCHLAND

Śrīla Bhakti Hrdaya Bondeva Goswami Maharaja

Vortrag gehalten in der Lessing Hochschule Berlin, Deutschland am 9. November 1933, unter dem Vorsitz von Professor Arnim

Śrī Caitanya wurde 1486 in Navadvipa (jetzt Mayapura), Bezirk von Nadia, in Bengalen geboren. Dort lebte Er bis zu Seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr. Von da an entsagte er der Welt vollständig und trat in den geistlichen Orden eines Mönchs ein. Die folgenden sechs Jahre wanderte er durch ganz Indien und predigte die Botschaft der göttlichen Liebe. Die letzten zwölf Jahre lebte er ausschließlich in Puri, in Orissa, und widmete sich ganz dem inneren Dienst Seines geliebten Herrn.

Als Caitanya geboren wurde, nannten Ihn Seine Eltern, Seine Freunde und die Dorfleute Nimai. Er wurde auch „Gauranga“ gerufen, was bedeutet „hellhäutig“, „wegen Seiner wunderschönen Hautfarbe“. Während dieser ersten Jahre Seines Lebens zeigte Er spontane Liebe zu Gott, Liebe zu Gott in Trennung, im Schmerz der Trennung vom Geliebten. Wie die Seele den Höhepunkt findet zeigte sich schon früh in diesem Kind.

In jenen Tagen hatte Nadia den bedeutendsten Lehrstuhl für Logik in Indien inne und wurde oft als das ‚Oxford Indiens‘ bezeichnet. Sogar heute noch dominiert in diesem Teil Indiens die traditionelle klassische Lehre. Es war Tradition, dass Nimai, der in eine Brahmanen Familie hineingeboren wurde, Sanskrit und insbesondere Logik studieren musste. Als er sechzehn Jahre alt war, gab es einen großen Gelehrten aus Kaschmir, im äußersten Norden, der durch ganz Indien reiste um jeden Gelehrten herauszufordern und alle besiegte. Damals - und auch heute noch in einigen Teilen Indiens - war es üblich, dass ein Gelehrter einer bestimmten Denkschule Gelehrte anderer Philosophiesysteme herausforderte, und derjenige, der den Sieg davontrug, wurde zum Meister des Besiegten; es gab keinen Streit, keinen Kampf; aber wenn jemand in einem philosophischen Streit besiegt wurde, wurde er der Schüler des Siegers.

Erst nach einer gewissen Zeit dachte der große Gelehrte aus Kaschmir daran, nach Nadia zu kommen: Vielleicht fürchtete er auch dass er in Nadia besiegt werden würde, weil es dort die beste Ausbildung in Logik gab. Deshalb verzögerte er seinen Besuch dort etwas hinaus. Als er letztendlich nach Nadia kam, waren die älteren Gelehrten etwas zurückhaltend. Sie wussten, wenn sie besiegt würden, dann würde der glorreiche Name Nadias sinken, besiegt von einem Gelehrten, der aus dem hohen Norden kam. Also griffen sie zu einem Mittel: Sie wussten, dass Nimai wahrhaftig der größte Gelehrte unter ihnen war. „Wir werden zu Dir kommen und mit Dir eine Diskussion führen.“ Sie würden die Tendenz der Argumentation, die der kaschmirische Gelehrte vor diesem Jungen vortragen könnte, als Anhaltspunkt nehmen.

Nimai war in Seinen Bewegungen, Gedanken und Verhalten sehr bescheiden. Also, gefolgt von einigen Seiner Schüler, kam Er an das Ufer des Ganges, setzte sich dort mit gefalteten Händen auf den Boden, als ein Zeichen von Demut. Er stellte dem großen Gelehrten aus Kaschmir folgende Frage: „Ich bin ein einfacher Junge und sitze hier vor dir. Du hast die Reputation des größten Gelehrten in Indien, also kann ich mich unmöglich mit dir auf irgendeine Argumentation und Diskussion über Logik einlassen. Aber ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn du gütigerweise diese wunderschöne Strömung des Ganges beschreiben würdest.“

Der Eingebung des Augenblicks folgend komponierte der große Sanskrit Gelehrte einhundert Verse, in denen er die Herrlichkeit des strömenden Ganges beschrieb. Nimai wählte einen dieser einhundert Verse aus, wiederholte ihn und sagte: „Würde es dir etwas ausmachen, Oh großer Gelehrter, deine Vorzüge und auch, wenn es welche gibt, Fehler in diesem speziellen Vers, den du gerade verfasst hast, ausfindig zu machen?

Der Gelehrte war verblüfft. „Wie ist es möglich, dass sich dieser Junge an einen von einhundert Versen erinnern kann, die ich gerade komponiert habe? Meine Komposition war genauso ein Fluss, wie der Strom des Ganges?“ Er fragte: „Wie konntest du dich an diesen Vers erinnern?“ Nimai antwortete: „So wie es großartige Menschen gibt, die spontan wundervolle Verse komponieren können, so gibt es vielleicht bescheidene Menschen, die in der Lage sind, sie sofort zu erinnern.“

Der Gelehrte war ärgerlich. Er sagte: „Von einem Jungen wie Dir ist es töricht in meinen Schriften Fehler zu suchen. Niemand wagt mir solch eine Frage zu stellen! Ich habe ganz Indien mit meinem Intellekt, meinem philosophischen Denken und Argumentation besiegt. Du bist ein Junge gerade einmal sechzehn, und willst Fehler in meiner Schrift finden! Da kann es keinen Fehler, keine Mängel, keine Schwächen in meiner Schrift geben! Sie ist voll von Vorzügen. "

Nimai sagte: „Wenn du nichts findest, dann bitte erlaube mir auf Vorzüge und Schwächen hinzuweisen.“ Langsam und demütig deutete er auf fünf große Vorzüge in diesem bestimmten Vers hin und gleichermaßen auf fünf schwere Fehler. Der große Pandit dachte: „Dieser Junge kann siegen, er findet Mängel in meiner Komposition der Sanskrit Verse und Rhetorik, und in Grammatik und allem; umso weniger bin ich in der Lage mit Ihm über Philosophie und Logik zu sprechen!“ Er fühlte sich beschämt, verließ den Ort und ging zu Bett. Er hatte einen Traum, in dem der Herr zu ihm sprach: „Du brauchst nicht beschämt zu sein. Das ist Nimai Pandit. Er ist kein gewöhnlicher Junge. Er kam mit einer großen spirituellen Botschaft. Es ist deiner Bildung würdig, von ihm besiegt worden zu sein. Du solltest dich Ihm zu deinem spirituellen Wohl unterwerfen.

Am nächsten Morgen rannte er zu Nimai und warf sich vor Ihm ausgestreckt zu Boden und wurde Sein Schüler. Dies war einer der intellektuellen Fähigkeiten, die Nimai in seinem frühen Leben zeigte. Danach begann er Seine religiöse Mission,  der Suche nach Gott, dem Geliebten, von dem wir alle in diese materielle Welt gebracht wurden, eingesperrt sowohl in unserem physischen Körper von Fleisch und Blut, als auch in den feinstofflichen Körper von Geist, Intelligenz und Ego. Er begann zu verkünden, dass das Chanten des Namen Gottes der einzige mögliche Pfad zur höchsten Verwirklichung der Liebe in Trennung vom Geliebten ist. Er brachte die Botschaft, das nur durch den transzendentalen Klang der Göttlichen Welt, der Name Gottes, die individuelle Seele* die Grenze, was die Relativität der Zeit und Raum betrifft, überwinden kann, um den Herrn zu erlangen.

(*der „gefallenen Seele, Ich meine die individuelle vertiefte Seele; eine Seele, die ihre eigene wahre Natur vergessen hat und sich fälschlicher Weise mit dem Körper und Geist identifiziert)

Als Nimai in seinem frühen Leben anfing zu den Menschen zu sprechen und zu predigen, übte er sich im Chanten, wobei ihm die Tränen über die Wangen liefen, er zitterte und seine Haare standen zu Berge - alle spirituellen Gefühle manifestierten sich in Seinem Körper; er chantete den Namen unter Schmerzen, weil er die Trennung spürte.

Dann kam der Wendepunkt: Bald, nach dem Sieg über den Gelehrten aus Kaschmir, starb Sein Vater. Wenn bei den Hindus ein Vater oder eine Mutter stirbt, müssen die Kinder ein bestimmtes Ritual durchführen, und im Allgemeinen geht ein Hindu-Junge nach Gaya, einem Pilgerort der Hindus in Bihar, wo sie zu Füßen Visnus, dem Höchsten Herrn, Verehrung darbringen zum spirituellen Nutzen des verstorbenen Vaters oder der Mutter. Als Nimai Seinen Vater verlor, ging er nach Gaya, wo er zum ersten Mal eine spirituelle Person namens Isware Puri, einen großen Mönch, traf.

Von diesem Zeitpunkt an, änderte sich Sein Leben radikal. Er konnte Seine Studenten nicht mehr in Grammatik, Philosophie und Logik unterrichten. Jedes Wort, das gesprochen wurde, beinhaltete den Namen Gottes. Er begann zu spüren und zu realisieren, dass es kein Wort gibt, welches man von dem transzendentalen Wort trennen könnte. Alle Worte werden wirklich aus dem höchsten ultimativen Absoluten Wort ausgestrahlt, welches der Name Gottes ist. Die Studenten glaubten, dass Er verrückt geworden ist. Obwohl Er der große Gelehrte war, der das Gesicht Bengalens rettete, indem Er den größten Gelehrten Kaschmirs besiegte, jetzt sprach Er Belanglosigkeiten.

Er begann zu predigen und fand heraus, dass die Leute in Nadia, besonders die Brahmanas, die immer hoch intellektuell argumentieren, reden und diskutieren konnten, aber wahrscheinlich sehr wenig im Leben taten, nicht bereit waren, sich Ihm zu unterwerfen. Also tauchte Nimai unter. Die Hindu-Tradition schreibt vor, dass sobald ein Individuum die vierte Lebensordnung, das heißt, die Stellung eines Mönchs, annehmen würde, musste sich die Gesellschaft vor Ihm verbeugen. Nimai nahm das Leben eines Mönchs im Alter von vierundzwanzig Jahren an, trennte sich vollständig von Seinen Blutsverwandten, Seinem Heim, Seinen Verwandten, Seinen Dorf-Leuten und von Seinem Land. Er verließ Bengalen und ging nach Puri. Hier begann Er die Mission der Göttlichen Liebe.

Er war in erster Linie ein Philosoph, denn das war eine wesentliche Voraussetzung für den spirituellen Fortschritt. In Indien ist es eine besondere Tradition, eine Denkweise, eine Herangehensweise, dass wir uns keine Theologie, keine Religion vorstellen können, die nicht stark auf philosophischer Vernunft beruht. Ohne Philosophie wird in Indien keine Theologie akzeptiert. Das ist der indische Geist, insbesondere der Hindu-Geist, dass man Theologie und Philosophie kombiniert. Ein Hindu denkt immer, dass es da ein klar umrissenes Konzept der vier grundliegenden Prinzipien geben muss: Das Konzept der individuellen Seele. Das Konzept der Phänomene, die wir vor uns sehen und das technische Konzept in der hinduistischen philosophischen Theologie, genannt Maya, d.h., die illusionierende Potenz Gottes, die die Menschen in Illusion versetzt und sie in die Fesseln des Körpers und des Geistes einschließt und sie den Höchsten Herrn vergessen lässt. Ein Mensch in Indien, der zur Gottverwirklichung gelangen will, muss zunächst das Fundament legen.

Für einen Menschen ist der Zweck des Lebens, der höchste Zweck des Lebens, wirklich der einzige Zweck des Lebens, Gottesverwirklichung. Wir sind keine Vögel, Bestien, Insekten oder Tiere des Waldes. Gott hat uns dieses Leben gegeben, wir nennen es menschliches Leben, weder um die Welt zu genießen, noch um in dieser Welt der Phänomene zu leiden. Wir sind nicht von dieser Welt. Wir sind von dem Reich Gottes gekommen, weil wir unser innewohnendes Gefühl, die Natur des reinen Selbst, die Bewusste Seele, missbraucht haben. Wir sind also in ein fremdes Land gekommen, in abnormale Bedingungen unserer Existenz; daher besteht das einzige Ziel des Menschen darin, wie die Hindu-Religion behauptet, durch Selbstverwirklichung und die Erkenntnis des Herrn, des Höchsten Herrn aller empfindungsfähigen und nicht empfindungsfähigen Objekte, in das Reich Gottes zurückzukehren.

Die Philosophie bildet den Hintergrund für das Konzept Gottes, der Seele, des Objekts der Phänomene und ihrer Wechselbeziehung, bzw., die Beziehung zwischen einem unbelebten Objekt und einem anderen unbelebtem Objekt, zwischen zwei Individuen, und einer individuellen Seele und einem unbelebten Objekt und deren Verwirklichung Gottes. Diese fünffachen Beziehungen (zwischen Mensch und Gott, Gott und leblosen Objekten, Mensch und Mensch, und zwischen einem leblosen und einem leblosen Objekt) formen den Hintergrund, die philosophische Grundlage, auf deren Struktur, wir sagen Theologie dazu, aufgebaut wird. Das ist die Verwirklichung Gottes durch die Realisierung des Selbst. Solange das Selbst nicht verwirklicht ist, können wir Gott nicht verwirklichen. Die Seele, die ihr Selbst vergessen hat, weiß nicht, was Gott wirklich bedeutet. Er ist vielleicht in einem Traumland, Er lebt vielleicht in einer Vorstellung, aber die Realität wird nur jenen offenbart, die befreit sind von den zweifachen Fesseln des Körpers und des Geistes. Also begann Śrī Caitanya Seine Mission des Heiligen Namens, den Namen Gottes.

In der Bibel sagt der Heilige Johannes: „Am Anfang war das Wort und das Wort war mit Gott und das Wort war Gott.“ Das Gleiche wurde von Śrī Caitanya gesagt. Aber er hat mit Sicherheit das Konzept entwickelt, in welcher Form das Wort Gott ist. Das Wort, das transzendentale Wort, der Name Gottes, ist absolut verschieden von jedem weltlichen Wort. Der Name Gottes ist völlig transzendental. Er ist ein vollständiges Ganzes. Er ist absolut identisch mit der Persönlichkeit des Herrn – Seiner Form, Seinen Eigenschaften, Seinen Gefährten, Seinem Reich und Seinen Pastimes. Dies sind alles begleitende Faktoren in dem Konzept des Absolutem Ganzen; wir nennen es Göttlichkeit. Und daher, der Name ist wie eine Knospe, in welcher die Blütenblätter, die Schönheit, der Duft, enthalten sind, aber man kann sie in dem nicht blühenden Zustand der Blume, der Knospe nicht sehen. Jetzt, wenn die Knospe erblüht, dann entstehen aus ihr alle Dinge, die schon da sind, jetzt entfalten sie sich, die Blütenblätter, der Duft, die Schönheit. So also ist der Name wie eine Knospe der Göttlichkeit und der Name entfaltet Sich (ich sage absichtlich „entfaltet Sich“, weil der Name kein neutrales Wesen ist. Es ist kein unbewusstes Wesen, Er ist all-bewusst). – Er ist der Herr Selbst. Daher, der Name entfaltet Sich in Seine all-wunderschöne Form, Seiner eigenen Form.

Dir transzendentale Person, der Göttliche Herr mit Seinen zahllosen, unvorstellbaren Eigenschaften – keine weltlichen begrenzten Eigenschaften, sondern unbegrenzte zahllose Eigenschaften – das alles gehört Ihm allein – sie sind entfaltet. Der Name ist entfaltet. Und der Name entfaltet das Spirituelle Reich. Das ist das Reich Gottes – das Reich, in dem der Herr existiert, nicht in einem begrenzten Raum von drei Dimensionen, sondern auf der transzendentalen, vierten Ebene, die Ebene der Unendlichkeit. In diesem Spirituellen Reich existiert der Herr, ewiglich. Das ist im Namen. Es ist identisch mit dem Namen. So, existieren Seine Gefährten ewig mit Ihm, für Seinen Dienst, für Seine Liebe. So, der Name entfaltet Seine Gefährten, und auch Seine Aktivitäten in Beziehung zu den befreiten Seelen, die wir als „mukta purusa“ bezeichnen, die Seelen, die vollständig vom Körper und Geist befreit sind (Geist, Intelligenz und Ego). Vollständig befreit. Die Seele ist grundsätzlich eine eigenständige Wesenheit, die sich von unserer gegenwärtigen, in Körper und Geist eingeschlossenen Existenz unterscheidet, umhüllt vom Körper und an den feinstofflichen Geist gebunden.

Jetzt, wenn die Seele von diesen beiden Ummantelungen befreit ist und wieder das Reich des Herrn betritt, dann hat Gott etwas zu tun. Wir haben etwas zu tun. Was wird die befreite Seele tun? Die Seele hat eine Aufgabe, weil sie belebt ist. Belebung setzt eine Funktion voraus, aktiv bedeutet nicht nicht-aktiv sein, aber es ist ewiglich aktiv, zunehmend aktiv. Es gibt keinen Stillstand, keine Wiederholung. Aber es ist immer fortschreitend, immer neu, immer frisch: das Wirken der Seele in Beziehung zum Herrn. Der Herr erwidert es. Wir unterwerfen uns - Er nimmt an. Wir lieben - Er gibt uns Liebe zurück und wir lieben Ihn zu Seinem Wohlgefallen. Die Seele liebt Gott nicht, sie dient Gott nicht zum Vergnügen, zum spirituellen oder sonstigen Nutzen des Einzelnen - das ist Lust! Das selbstsüchtige: „Ich liebe Dich, Oh mein Herr! Damit ich glücklich werde!", ist keine reine Liebe, sagt Śrī Caitanya.

Śrī Caitanyas Konzeption der Liebe ist wie folgt: Alles was wir tun, physisch, mental oder sogar spirituell, zum Genuss für das Individuum oder den Individuen dieser Welt, ist Lust. Aber alles was die Seele allein zur höchsten Befriedigung der Wünsche der spirituellen Sinne des Herrn ausführt, das ist Liebe. Hier ist ein klar umrissenes Konzept der Liebe. Ich benutze dieses englische Wort, weil es keinen anderen Ausdruck in der englischen Sprache gibt. Aber es ist eine falsche Bezeichnung. Das Konzept der ‚Liebe‘ hier ist verbunden mit den Vorstellungen der materiellen Welt, materiellen Neigungen, materiellen Anhaftungen, körperlichen Anhaftungen. Das gibt es nicht im Reich Gottes. Der Ausdruck im Sanskrit ist ‚prema‘. Das ist ein Wort, das nicht übersetzt werden kann. Ich finde kein Wort in Englisch, das ich an seinen Platz setzen könnte. Prema bedeutet nicht die Funktion des physischen Körpers, auch nicht mentale Emotionen, wie ehrenwert auch immer, wie groß auch immer. Wenn es eine mentale Emotion in Beziehung zu Gott ist, dann ist es nicht bhakti. Bhakti ist keine reine Emotion des Geistes. Der Geist hat die kognitive Fähigkeit. Er hat die Fähigkeit des Willens und er hat die Fähigkeit Emotionen zu bilden. Wenn bhakti mit den Emotionen des Geistes verwechselt wird, dann ist das falsch. Bhakti ist die innewohnende Natur der reinen Seele, mit der ewigen Neigung, die Wünsche des Herrn zu erfüllen. Er ist der Aller-Wille. Aller Wille ist in Ihm, Er der einzige Empfänger. Alles andere wird von Ihm empfangen. Wir empfangen nichts; wir können nicht wirklich Gott empfangen, aber Gott, aufgrund Seiner gnädigen Barmherzigkeit, kann uns zurück in Seinem Schoß aufnehmen.

Śrī Caitanya sagt, dass prema, Göttliche Liebe bzw., Gottesliebe folgendes bedeutet: die ewig immer weiterwachsende Aufgabe der Seele für die immer weiterwachsenden Bedürfnisse des Herrn zu seiner vollkommenen Zufriedenstellung Seiner spirituellen Sinne, weil jeder Sinn des Herrn vollständig in sich selbst ist. Gott ist das vollständig Ganze; daher sind all Seine Sinne vollständig. Die Kapazität unserer Sinne ist begrenzt; ich kann sehen, aber ich kann Dinge, die ein wenig entfernt sind, nicht erkennen; ich kann hören, aber ich kann Dinge nicht hören, die ein wenig weiter entfernt geschehen. Gott ist das vollständige Ganze, daher sind Seine Fähigkeiten vollständig. Sein Handeln ist vollständig. Seine empfangende Kapazität ist Absolut. So, Śrī Caitanya sagt in Seinen eigenen Schriften: „Oh Du Geliebter Mein Herr. Du bist Alles für Mich. Du hast so viele, auf die du aufpasst. Du hast Millionen von Gottgeweihten, um die Du Dich kümmerst. Aber, für Mich, Ich habe niemanden als Dich. Aber wenn es Dein Wille sei, dann wirf mich in die Hölle für alle Ewigkeit und wenn es Dich erfreut, dann ist die Hölle Mein Himmel. Ich werde für alle Ewigkeit in der Hölle bleiben, wenn Dich dieses erfreut. Oder, wenn es Dich erfreut, Mich in Deine liebende Umarmung zu schließen, dann nimm mich, aber nur zu Deiner Freude. Ich gebe mich bedingungslos Deinen Wünschen hin.“

Das sind die Wege eines Gottgeweihten, der Gott nach Seinen, Gottes, Regeln dienen will. Wir dienen Gott nicht nach unseren materiellen Bedingungen, das ist nicht die Aufgabe der Seele – das ist mental, physisch, weltlich, begrenzt und letztendlich lüstern. Der einzige Wunsch der Seele ist: „Ich diene Dir Oh Herr, zu Deinem Wohlgefallen.“

Nun, dieser Dienst zu Gott, den wir Liebe nennen, ist zweifach: In Vereinigung und in Trennung. Gott zu dienen in Seiner Gegenwart, in der Vereinigung mit Ihm, greift zu kurz. Caitanya spricht von dem Konzept der Liebe in Trennung: In der Qual der Trennung vom Geliebten, wird das brennende Feuer des Wunsches der Seele verstärkt, Gott immer mehr zu dienen, stets frisch, in jeden Augenblick.

Die Liebe in dieser Welt kann niemanden wirklich glücklich machen. Ob es zwischen Ehemann und Ehefrau ist, zwischen den Eltern und Kindern, zwischen einem Freund und einem Freund, oder zwischen dem Meister und Diener, wir sind darin begrenzt. Daher ist Liebe alles in allem in dieser Welt schmerzhaft; weil sie uns nicht die ganze Zeit und unter allen Umständen befriedigen kann. Liebe kann uns für eine kurze Zeit zufriedenstellen, unter bestimmten Bedingungen, daher muss sie einfach als Lust abgelehnt werden. Aber im Reich Gottes, Gott ist Aller-Vollständig, da ist ein Immer-Voranschreiten und existiert keine Wiederholung.

Die von der Seele dargebrachten Dienste können, wie es Śrī Caitanya in Seinem Konzept der göttlichen Liebe ausdrückt, vierfach sein: wie ein Diener und ein liebevoller Diener, der seinem Meister dient. Die Forderungen des Herrn als Meister und das gegenseitige Darbringen von Diensten durch die individuelle Seele als Sein ewiger Diener sind fortschreitend, neu, jeden Moment neu, jede Sekunde neu. Mit jedem Augenblick sind die Wünsche des Herrn neu, und sie werden auf neue Weise erfüllt; deshalb ist Er glücklich, bzw., wie die Beziehung zwischen zwei Freunden, ist das Dienen in der Freundschaft der Seele mit dem Herrn enthalten. Darüber hinaus gibt es das, was wir die Sohnschaft Gottes nennen - Gott als der göttliche kleine Säugling, der ewig derselbe ist und die Liebkosung und Zuneigung der elterlichen Liebe der Seele empfängt.

In der elterlichen Liebe zum göttlichen Kind kommen daher nach und nach Dienste, Freundschaft und elterliche Zuneigung zum Ausdruck, und zwar zwischen Gott als dem Sohn und der Seele als Elternteil. Darüber hinaus, sagt Śrī Caitanya, gibt es noch eine weitere, höhere Vorstellung von Beziehung, zwischen Gott als dem Geliebten und der Seele als Seiner Magd. Auch im Christentum gibt es die Vorstellung vom Bräutigam: Als Jesus seine Bergpredigt hielt, sprach er zu der samaritanischen Frau: „Ihr haltet eure Tür geschlossen, das Zimmer sauber und das Licht brennt, bis der Bräutigam kommt und an die Tür klopft; dann öffnet und nehmt ihn auf." Ich drücke es in meinen eigenen Worten aus, Śrī Caitanya geht noch weiter, dass die Gefährtin Gottes die höchst mögliche Form ist, in der die Seele dem Herrn dienen kann, natürlich nicht im Bund der Ehe, dieser Ausdruck ist weltlich. Es hat nichts mit der Ehe von Mann und Frau in dieser Welt zu tun, die ganz lüstern, ganz sinnlich und sinnesverbunden ist, aber im Reich Gottes ist es das Reinste, das Subtilste, der erhabenste Höhepunkt in der Entfaltung der uneingeschränkten Liebe der Seele zum Herrn. Die Konzeption der Seele wird daher im weiblichen Geschlecht aufgenommen.

Śrī Caitanya konzipierte, dass die Seele sich als ewige Dienstmagd in den Diensten des Herrn verwirklichen kann, der sich in zwei vollständige Ganzheiten entfaltet: Die dominierende Einheit und Sein projiziertes Gegenganzes, genannt die dominierte Einheit. Der Herr kann sich aus Seinem göttlichen Vorrecht und Seiner Macht heraus, zu Seiner eigenen Liebe in ein zweites vollständiges Ganzes entfalten, ohne das ursprüngliche Ganze zu verlieren.  So erhält Er eine vollständige Wechselbeziehung, denn Gott ist Eins; Gott kann nicht zwei sein; Er ist das vollständige Ganze. Wenn Gott zum Beispiel wünscht, Schönheit zu sehen, muss das erwidernde Objekt, die Schönheit, in sich selbst vollendet sein, um das Verlangen der Augen des Herrn ganz zu befriedigen. Es kann kein zweites Wesen geben, das als vollständiges Ganzes bezeichnet wird, außer dem Herrn selbst. Deshalb ergreift Gott Seine eigene Initiative. Aus Seinem Vorrecht, Seiner unvorstellbaren Fähigkeit heraus, projiziert Er sich selbst als Seine Schönheit, die Vollendung Seiner Schönheit, um das Verlangen Seiner Augen, Schönheit zu sehen, zu erfüllen.

Das Konzept des prema von Śrī Caitanya, des Herrn, existiert als ein Paar. Er ist Einer und zur selben Zeit, unbegreiflicherweise zwei, bzw., das dominierende Ganze und Sein Gegenpart, das dominierte Ganze. Die Seele, die in der Folge ein Teil des Herrn ist, sieht sich an der Stelle einer Dienstmagd in Bezug auf das göttliche Paar, das ein vollständiges Ganzes ist, die Geliebten. Śrī Caitanya warnte, dass prema nicht möglich ist, solange der Einzelne sich mit diesem Körper verbindet, ob er nun Inder oder Europäer ist und wir den geringsten Hauch der gemeinen emotionalen, willensmäßigen und kognitiven Fähigkeiten eines dominierenden Geistes haben.  So kann Gottes Konzept und Sein Reich und Sein Name nicht verstanden werden.

Der Körper und der Geist müssen abgelegt, zurückgelassen werden; die Seele muss aus dieser Knechtschaft herauskommen und dann kann die reine Seele, die reine Existenz im ewigen Reich Gottes, Gott als Diener dienen, dem Herrn als Freund dienen, wobei der Herr  Sein liebevollster Freund ist. Oder die reine Seele kann mit elterlicher Liebe dem göttlichen Kind dienen und des Weiteren, immer noch in dem Konzept der Rechtmäßigkeit, oder der nicht Rechtmäßigkeit, in der Form als Gefährtin Gottes in Seiner Beziehung zur Frauen- oder Mädchenschaft dem Herrn dienen. Das gab Mahaprabhu als Höhepunkt Seines Predigens über religiöses Leben.

Wie können wir dies erreichen? Wie können wir es verwirklichen? Und wie kann eine einzelne Seele es bekommen? Ist es für alle Seelen gedacht oder gibt es nur bestimmte Seelen für das Reich? Dies sind Themen, deren Erörterung viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber, kurz gesagt, das ist es, was Śrī Caitanya sehr wichtig war, dass ein religiöser Prediger in seinem Leben das praktizieren muss, was  er verkündet, nicht wie ein Politiker, der nur redet, nein! Ein Politiker kann alles sagen! Und wenn die Atombombe geworfen wird, wird er zuerst sich selbst retten und andere vor die Hunde gehen lassen. So handelt ein Politiker oder ein Mensch dieser Welt, egoistische Menschen; aber das gilt nicht für einen religiösen Menschen. Ein religiöser Mensch ist wahrhaftig, in den Augen Gottes; er ist wahrhaftig zu allen. Er betrügt die Welt nicht; er betrügt sich selbst nicht. Śrī Caitanya hat durch sein persönliches Leben, durch seine brennenden Gefühle der Trennung von seinem geliebten Herrn, alles manifestiert, sogar äußerlich: auf dem Boden wälzend, als ob er zu Asche verbrannt wäre, Tränen, wie Wasserströme, Gänsehaut auf dem ganzen Körper, alle Haare standen zu Berge - all diese Ausdrucksformen, die sich sogar im physischen Körper manifestierten aufgrund des extremen Gefühls des Schmerzes: „Ich bin weit weg vom Herrn, ich weiß nicht, wie lange schon! Herr! Nimm mich an, mein Geliebter; wenn Du mich vergisst, kann ich Dich nicht vergessen. Du bist meine einzige Hoffnung und meine einzige Zuflucht."

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