Kunigunde

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Svami Sadananda, Brief 1971

(Anmerkungen in eckigen Klammern und © Samuelsson Kid/Stamm Katrin 2011 zuletzt geändert 8.11.11)

Liebe Haripriya Dasi,

Erst heute komme ich zum Schreiben – ich konnte nicht eher. Vielen Dank für Ihren Brief.

Nein, Sie brauchen keine Sorgen zu haben, es soll Ihnen nichts geschehen. Sie müssen unter keinem Zwang irgendeiner Art sein. So wie Sie gerade – in jedem Moment – sind, ist es recht. Sie müssen sich nicht anstrengen wollen, irgendein Ziel zu erreichen – und auch nicht gegen eine „böse Kraft“. Viele vergessen, dass es eine Kraft ist, die eben nur zwei Aspekte hat [Yogamaya und Mahamaya], so wie ein Magnet eben zwei Pole, oder eine Kraft, die bald so und bald gegenteilig wirkt.

Auch Shraddha kann nicht erzwungen werden, Shraddha kommt ganz von selbst, wenn man von Bhagavan und Seinen Lilas hört, und viel, viel hört, denn man muss ja wissen, wer Er ist und dann erst, dann kann Shraddha entstehen. Sie alle haben ja von Ihm viel zu wenig gehört, wo soll denn wahre Shraddha herkommen? Man hatte Ihnen Dinge eingeredet und in Tätigkeiten eingebunden, die Sie einfach überforderten. Wenn man von irgendeiner Frau sagt, sie habe die Bhava-Stufe erreicht, so ist das dumm und unverantwortlich. Ich möchte die Person sehen, die wenigstens das 4. Kennzeichen von Bhava [Morgenrot der premabhakti] hat: „Obgleich man tatsächlich eine hohe Stufe erreicht hat, weiß man selbst nichts davon, ist man sich dessen gar nicht bewusst.“

Sattvika-Bhavas oder Anzeichen von Verzückungen, Ekstasen? Wissen Sie, dass im Bhakti-Rasamrita-Sindhu gesagt wird, dass solche scheinbaren Bhavas in einem schlotternden, senilen Herzen entstehen können, das überhaupt von Bhakti nie berührt wurde, oder einem zur Sentimentalität neigenden schlüpfrigen Herzen, das klebrig, schmierig ist oder dass solche Bhavas 2 gewohnheitsmäßig [...] hervorgebracht werden können in einer Art Gruppenhysterie oder um bei anderen als fortgeschrittener Bhakta zu gelten. Wissen Sie, dass mein Lehrer und andere wirkliche Vaishnavas solche Heuchler einfach beiseite ließen und sie als Aparadhis mit Nichtbeachtung straften? Kann es etwas Schlimmeres geben, als sich als Bhakta auszugeben und feiern oder bewundern zu lassen?

Also: nicht meinen: andere haben es schon so weit gebracht, aber ich bin noch so weit zurück – das alles ist ja Unsinn. Man kann nur sein wollen, das, was man wirklich ist – den Mut dazu haben – das ist so selten. Die „Bhakta-s“, die wir in Indien oder hier (?) treffen, versuchen in eine Lebens- und Denkweise hineinzukriechen, wie in die starre, leblose Form einer Larve, um sich dort sicher fühlen zu können, um das „Bewusstsein“ einer metaphysischen Existenz-Sicherheit zu haben, das ist ja alles Feigheit und Selbstbetrug und Täuschung anderer.

Und selbst wenn Sie sich persönlich nach Mukti sehnen sollten – was macht das? Jeder Mantra, auch der Mahamantra kann Mukti geben, nur kann er darüber hinaus noch viel mehr geben. Kein Shastram hat je gesagt, dass das Streben nach Mukti schlecht sei – nur dass es darüber hinaus noch erlesenere Ziele gibt und das diejenigen, die nach reiner Bhakti streben, sich nicht für Mukti interessieren. Wo bliebe die Mannigfaltigkeit Gottes und der Wege zu Ihm und der Arten, wie Er den Atma liebt, wenn es keine Jnanis, Karmis etc. gäbe.

Die ISKCON-Knaben sprechen verächtlich von anderen Wegen und in Indien gibt es Idioten, die Shiva, Rama etc. missachten. Vergessen diese Narren, dass Caitanya Mahaprabhu auf Seiner Indien-Pilgerfahrt alle Shiva-, Kali-, DurgaTempel besuchte und alle Seinsweisen Gottes liebend verehrte? Es handelt sich um „Taratamyam” – um eine vergleichsweise größere oder geringere Intensität und Extensität, aber keine Abwertung. Das ist, was die Shastrams lehren, und jeder, der einen Weg ehrlich geht, verdient unsere Achtung – ja sogar der, der keinen Weg geht – so er nur ehrlich ist, zu sich und anderen gegenüber. Die das bezweifeln, sollen doch bloß mal in der Gita lesen, dass der Paramatma Selbst jeden und jede echte Shraddha bestärkt, sogar wenn es ein Umweg ist. Jede Versklavung eines Wesens ist ein Verbrechen. Wollte Krishna, dass alle KrishnaBhaktas sein sollen, dann brauchte Er als Paramatma-Computer ja nur einen Schalter anzudrehen, damit jeder oder alle Atmas sich freiwillig, ohne sichtliche Nötigung, auf Bhakti ausrichten.

Meint jemand, dass die Wildsau Kunigunde, die im Morast herumschlurft und fröhlich grunzt schlechter sei als die Nachtigall, die im Himmel ihre Brustlieder hineinschmettert – ja das ist alles meine oder Ihre individuelle Meinung – aber schlimmer wäre es, wenn die Wildsau meinte, sie könnte sich als Nachtigall aufspielen.

Es ist ja Unsinn, die Namen Krishna’s von jemandem herunterschnurren zu lassen, wenn er gar nicht weiß, wer Krishna ist. Nur ein Avatara kann einem Jiva die Shakti mitteilen, sofort die Natur und die gegenseitige Beziehungen zwischen Gott, Jiva und Maya zu erkennen [Sambandha-Jnanam] und den Namen zu wiederholen, ohne Missverständnisse.

Also einigen wir uns, liebe Haripriya Dasi, keinen Krampf, kein irgendetwas sein wollen oder meinen, man müsse das oder jenes sein oder nicht – wir sind ja gar nicht fern von Gott, der Atma ist nie von Gott getrennt – er meint nur getrennt zu sein – und Gott ist ganz, ganz nahe, als lieber Freund und Er will ja nicht, dass wir uns quälen, sondern spüren, dass wir nie von Ihm getrennt sind, sondern es reicht, wenn wir nur ehrlich sind, was wir sind, – wir mögen versuchen uns vor anderen oder vor uns selbst zu verstellen, aber Gott gegenüber?

Fassen Sie Mut, seien Sie eine, die ahnt, dass Hari ihrem Atma nahe ist und dass Er den Atma liebt (priya ist), da Er ihn sieht, ohne Schleier. Das ist der erste Brief, den ich mit Mühen schreibe – immer noch Fieber, hoher Blutdruck, aber ich hatte heute Ruhe hier und fühlte, dass ich Sie sehen lassen soll, wie ich die Probleme sehe, unter denen Sie genug unnötigerweise sich quälen.

Radhe! Radhe! Möge Hari Sie leiten!

Ihr Sada

(https://sadananda.com/txt/de/text_downloads/de/k-de.pdf)

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