Alle Ehre sei Lord Gauracandra, das hellste Licht der brāhmaṇa-Klasse. Alle Ehre sei dem Herrn, der die tiefsten Gefühle von Ekstase in den Herzen all Seiner Geweihten erregt!
Alle Ehre sei dem Herrn und Meister von Govinda dāsa, dem Torwächter! Bitte lass Deinen barmherzigen Blick auf die bedingten Lebewesen herabregnen.
Alle Ehre sei dem Herrscher der brāhmaṇas und dem Kronjuwel unter allen Lehrern! Alle Ehre sei der Gemeinschaft der Geweihten Śrī Caitanya Mahāprabhus.
Der Herr von Vaikuṇṭha, Nimāi, war in der Gemütsverfassung eines kühnen und stolzen Gelehrten vertieft. In jenen Tagen war die Stadt Navadvīpa eine Institution, die viele Gelehrte und Lehrer, bewandert in allen Zweigen der Schriften, beherbergte. Titel wie, Bhaṭṭācārya, Cakravartī, Miśra und Ācārya waren weit verbreitet und die einzige Arbeit dieser Gelehrten war zu unterrichten. Ihr Sport war die Debatte und in ihrer intoleranten und ungeduldigen Art und Weise, taten sie alles Erdenkliche, das nötig war, um eine Auseinandersetzung zu gewinnen. Auch wenn ein hoch geachteter hoher Gelehrter einen wertvollen Punkt einbrachte, würden andere ihm trotzdem widersprechen.
Nimāis Gewohnheit war es, die anderen Gelehrten ständig zu tadeln und ihre Argumente direkt vor ihren Augen zu widerlegen. Es gab keinen Lehrer in Navadvīpa, der den Argumenten des Herrn etwas entgegensetzen und eine zweite Meinung anbieten konnte. Sobald sie den Herrn sahen, wurden ihre Herzen von Angst ergriffen, so dass sie Ihm gegenüber sofort unterwürfig wurden. Wer auch immer mit dem Herrn ins Gespräch kam, wenn auch nur rein zufällig; wurde Sein hingegebener Anhänger.
Jeder wusste um die Gelehrtheit und den Intellekt des Herrn, den Er von Seiner frühesten Kindheit an besaß. In ihren Herzen wussten sie, dass Śrī Nimāi von niemanden besiegt werden konnte.
Der bloße Anblick des Herrn erzeugte unter den Gelehrten ein Gefühl von Ehrfurcht und Hochachtung und sie wurden auf natürliche Weise in Seiner Anwesenheit Ihm gegenüber sofort unterwürfig. Seine illusorische Energie bewahrte jedoch jeden davor, Ihn in Wahrheit zu erkennen. Nur wenn der Herr Sich Selbst, durch Seinen eigenen Willen, offenbart, kann man Seine wahre Identität verstehen. Obwohl der Höchste Herr in jeder Hinsicht freigiebig ist, ist es nur durch Seinen persönlichen Wunsch möglich, dass man in der Lage ist, Seine vertraulichen, transzendentalen Spiele wahrzunehmen. In Navadvīpa führte Gauracandra Seine transzendentalen Spiele in der Gemütsstimmung eines Gelehrten aus und täuschte jeden über Seine esoterische Identität.
Eines Tages kam ein hoch gebildeter, aber hochmütiger Gelehrter, der den Titel trug, 'Digvijāya'- bedeutet, 'Einer, der die Gelehrten aus allen Richtungen besiegt hat' nach Navadvīpa. Er war ein hingegebener Geweihter der Göttin des Lernens, Sarasvatī und er hatte ihre Segnung erhalten, indem er Ihr mantra der Versöhnlichkeit chantete. Mutter Sarasvatī ist eigentlich die Universale Mutter – Sie ist von Lakṣmī Devī nicht verschieden, die ewige Gefährtin der Höchsten Persönlichkeit Gottes, Śrī Nārāyaṇa. Lakṣmī Devī ist die Verkörperung des transzendentalen liebenden hingebungsvollen Dienstes zu dem Höchsten Herrn; Sie ist die innere Energie des Herrn und wohnt immer an Seiner Brust.
Der brāhmaṇa hat, durch seinen Wunsch und wegen eines guten Schicksals, die Segnung von Mutter Sarasvatī erhalten, ein Digvijāya Gelehrter zu sein. Für sie ist es leicht solch einen Segen zu geben, weil sie in der Lage ist sogar jedem das sehr seltene Geschenk des transzendentalen hingebungsvollen Dienstes zum Höchsten Herrn, Śrī Nārāyaṇa, zuteilwerden zu lassen. Als der brāhmaṇa diese Segnung direkt von er Göttin Sarasvatī erhalten hatte, setzte er seine Reisen durch das Land fort und besiegte Gelehrte, wo immer er sie fand. Alle Schriften waren auf seiner Zungenspitze. Niemand in der Welt konnte ihn herausfordern. Viele konnten noch nicht einmal der Einführung seiner
Haupt-Dissertation folgen, also zog er unkontrolliert und ohne Herausforderungen überall umher.
Als Navadvīpas Ruf, ein Zentrum großer Gelehrter zu sein, seine Ohren erreichte, reiste er dorthin mit großem Pomp und Feierlichkeiten und führte eine Prozession von Elefanten, Pferden und Menschen an. Diese Neuigkeit verbreitete sich wie ein Waldbrand in jedem Haus in Navadvīpa und verursachte Wellen der Verwirrung.
Es verbreitete sich das Wort: „Nachdem der Digvijāya die Gelehrten in jedem Land besiegt hat, ist er zu guter Letzt nach Navadvīpa gekommen.“ Die Lehrer von Navadvīpa waren noch mehr alarmiert, als sie hörten, dass er ein direkter Empfänger des Segens der Göttin Sarasvatī war.
Besorgt sprachen sie untereinander: „Navadvīpa ist in der ganzen Welt das berühmteste Zentrum der Bildung. Wenn der Digvijāya unsere Gelehrten besiegen wird, dann könnte Navadvīpas Herrlichkeit auf ein Minimum gesenkt werden und die Welt wird von unserer Niederlage erfahren. Jedoch hat niemand den Mut, ihn als den Empfänger von Mutter Sarasvatīs besonderer Segnung, herauszufordern. Es wird gesagt, dass Mutter Sarasvatī eigens auf seiner Zunge erscheint, wann immer er spricht. Wie kann ein einfacher Mensch ihn je besiegen?“
Hunderte von Bhaṭṭācārya Gelehrte, die in Navadvīpa residierten waren zerrüttet von Angst und am Boden zerstört und gaben alle Aktivitäten auf. Navadvīpa befand sich in geschäftiger Aufregung, als die Zeit der Kraftprobe der intellektuellen Stärke näher rückte.
Die Studenten von Gaurāṅga beschrieben Ihm alle diese Einzelheiten. „Nachdem ein Digvijāya Paṇḍita alle anderen Teile der Welt besiegt hat, ist Er jetzt nach Navadvīpa gekommen, um unsere Gelehrten in der Debatte herauszufordern. Es wird gesagt, dass er die besondere Gunst der Göttin Sarasvatī empfangen hat. Er ist in Navadvīpa mit einer großen Prozession von Pferden, Elefanten, Sänften und Menschen eingetroffen. Er sagt, dass wenn es keine Herausforderer unter den Gelehrten in Navadvīpa gibt, dann will er 'einen Brief des Sieges' zu seinen Gunsten ausgestellt bekommen.“
Gauracandra hörte Seine Studenten an und mit einem Lächeln erinnerte Er sie an die Natur des Absoluten. „Hört! Meine Brüder und ich werden euch die tatsächliche Situation schildern. Der Höchste Herr duldet niemanden, der unausgesetzt dem Hochmut frönt. Wann immer Er jemanden entdeckt, der wegen einer persönlichen Eigenschaft mit Arroganz beladen ist, dem entfernt er ausnahmslos die Ursache seines oder ihres Stolzes. Ein Baum, mit Früchten beladen und eine Person, die mit guten Eigenschaften ausgestattet ist, wird sich unvermeidlich demütig beugen. Ihr habt sicher von anderen großen Eroberern gehört, wie Haihaya, Nahuṣa, Veṇa, Baṇa, Naraka, Rāvaṇa, usw. Hat der Höchste Herr es jemals versäumt ihren anmaßenden Stolz zurückzustutzen? Er duldet niemals solch schändliche Frechheit. Hier in Navadvīpa werdet ihr Zeuge vom Ende des hochmütigen Scholaren sein.“
Auf diese Weise amüsierte sich der Herr mit Seinen Studenten. Am Abend ging Er zu dem Ufer des Flusses Gaṅgā, sprenkelte etwas Gaṅgā Wasser auf Seinen Kopf, brachte Ehrerbietung dar und setzte Sich inmitten Seiner Studenten. Der Herr hielt einen Vortrag über verschiedene Themen, wie über die Religion und ihre unterschiedlichen Erläuterungen in den Schriften. Niemand, jedoch, verstand, dass der Herr gleichzeitig an die Methode dachte, mit deren Hilfe Er den Digvijāya Paṇḍita besiegen könnte.
„Dieser brāhmaṇa ist äußerst arrogant geworden und er glaubt, dass ihn niemand in dieser Welt besiegen könnte,“ dachte der Herr. „Wenn Ich ihn in Anwesenheit aller demütige, dann wird das ein beschämender Tod für ihn sein. Die Leute werden ihn verachten, er wird alles verlieren und zum Schluss stirbt er vielleicht wegen der Erniedrigung. Deswegen muss Ich ihn heimlich an einem abgeschiedenen Ort konfrontieren und trotzdem seinen Sturz sicherstellen. Auf diese Weise kann ich seine Eitelkeit in den Schatten stellen, ohne ihn zu vernichten.“
Während der Höchste Herr auf diese Weise nachdachte, traf der Digvijāya an der Gaṅgā ein. Als sich die Dämmerung in die Nacht auflöste, lag der Fluss Gaṅgā glänzend unter dem Vollmond, der am weichen klaren Himmel stand. Der Höchste Herr strahlte in der Mitte Seiner Studenten und Seine erlesene Schönheit nahm die gesamte Schöpfung gefangen.
Ein süßes Lächeln schmückte das glühende, mondgleiche Gesicht des Herrn und Seine beiden schönen Augen ließen transzendentale barmherzige Blicke herabregnen. Perlen fehlt es an Glanz verglichen mit dem Glanz Seiner Zähne und Seine strahlenden Lippen können leicht mit der aufgehenden Sonne verwechselt werden. Mit Seinem weichen und zarten Körper ist Er die Personifizierung des Mitgefühls. Sein vollkommen geformter Kopf ist mit rabenschwarzen Locken bedeckt, Sein anmutiger, löwengleicher Nacken ruht in vollendeter Weise auf Seinen schönen breiten Schultern. Er war in erlesene göttliche Tücher gekleidet, Sein vollendet proportionierter Körper war groß und Sein Herz war von freigiebiger Natur. Die brāhmaṇa-Schnur, die lose quer über Seine Schulter hing war der Bogen von Ananta Śeṣa. Seine langen Arme reichten anmutig bis zu den Knien und das ūrdhva-puṇḍra tilaka, das Seine breite Stirn schmückte, bezauberte die Herzen eines jeden.
Mit Seinem dhotī, elegant an Seiner Hüfte befestigt, saß Śrī Gaurāṅga mit überkreuzten Beinen in der Sitzstellung eines yogis und erstellte und widerlegte verschiedene Argumente in Seiner üblichen Manier des Diskurses. Viele Studenten waren an dem Abend um Mahāprabhu versammelt und der Digvijāya Paṇḍita war erstaunt, diese wundervolle Versammlung zu sehen. „Ist das Nimāi Paṇḍita?“ dachte er. Von allen ungesehen stand er da, von des Herrn außergewöhnlicher Schönheit bezaubert. „Wer ist diese Person?“ erkundigte er sich bei einem der Studenten. „Das ist der berühmte Nimāi Paṇḍita“, antwortete der Student.
Nachdem er der Gaṅgā Ehrerbietung erwiesen hatte, rückte Er dem Herrn etwas näher. Als Nimāi ihn bemerkte, lächelte er ihn an und bot ihm freundlich einen Platz an. Dadurch dass der Digvijāya Paṇḍita schon alle Gelehrten im Land besiegt hatte, war er eigentlich furchtlos, aber hier, in der Gegenwart des Herrn, war er von Ehrfurcht erfüllt. Wer immer sich dem Allmächtigen Herrn in einer herausfordernden Stimmung nähert, wird durch Seinen Willen beides spüren, Ehrfurcht und Angst.
Der Herr tauschte einleitende Worte mit dem Paṇḍita aus und stellte ihm einige Fragen. „Du bist ein vielseitiger Dichter“, sagte der Herr, „es gibt kein Thema, das du nicht perfekt beschreiben kannst. Deswegen, bitte erläutere die wundervollen Herrlichkeiten der heiligen Gaṅgā, so dass, wer immer deine Verherrlichung hört, von seinen Sünden befreit wird.“ In demselben Augenblick begann der Digvijāya Paṇḍita aus dem Stegreif zu komponieren und rezitierte neuartige Strophen zur Lobpreisung des heiligen Flusses. Wer kann sich die zahllosen Wege vorstellen, auf denen er Mutter Gaṅgā beschrieb. Strophen kamen geschwind über seine Lippen und seine Stimme erschallte wie ein ständiges Donnergrollen. Es sah gewiss so aus, als wäre Mutter Sarasvatī selbst auf der Spitze seiner Zunge erschienen. Was immer er von sich gab, war anscheinend präzise und passend. War es menschenmöglich einen Fehler in seinen wortgewandten Kompositionen zu finden? Es schien sogar, dass keiner der Anwesenden Ihm Ihm richtig folgen konnte.
Nimāis Hunderte von Studenten, die sich dort versammelt hatten, starrten den Paṇḍita mit offenem Munde an. „Oh, Lord Rāma“, sagten sie, „wie wundervoll! Wie ist es menschenmöglich solch wortgewandte Dichtung zu komponieren?“ Seine Komposition war mit den ungewöhnlichsten Redewendungen reichlich ausgeschmückt und er wendete sie sehr passend an. Die Wortwahl verblüffte sogar die Gelehrten, die anwesend waren. Über drei Stunden komponierte und rezitierte der Digvijāya seine unvergleichbaren Strophen. Seine brillante Rede schien kein Ende zu nehmen.
Als er letztendlich abschloss, lächelte der Herr süß und sagte: „Deine Dichtung war so außergewöhnlich, dass niemand ihre Bedeutung verstehen konnte, wenn du sie nicht selbst erläuterst. Die Strophen, die du komponiert hast, sind der Verherrlichung der Gaṅgā gewiss angemessen, aber wir ersuchen dich, sie für uns zu analysieren. Des Herrn süße Worte berührten ihn wie ein berauschender Trunk; und er begann seine Strophen zu erklären. Sobald er jedoch zu sprechen begann, unterbrach ihn der Herr und wies ihn auf drei Fehler hin – einer am Anfang, einer in der Mitte und einen gegen Ende seiner Komposition.
Der Herr sagte: „Gemäß der Grammatik haben die Redewendungen, die du gebraucht hast, zahllose Unvollkommenheiten. Bitte sage uns, in welchem Kontext du sie benutzt hast.“
Der Digvijāya Paṇḍita, der an erster Stelle der Lieblingssöhne der Mutter Sarasvatī stand, verlor seine Intelligenz. Er versuchte es, aber versagte darin, die richtigen Erklärungen für die Fehler, auf die Nimāi hingewiesen hat, zu geben. Seine kraftlosen und konfusen Versuche, seine Komposition zu verteidigen, erzeugte weitere Kritik vom Herrn, der dann die Schwachstellen in den Erläuterungen, sowie in den Strophen erklärte. Das unvergleichliche Talent des Paṇḍits schien verschwunden zu sein und die Situation wurde ihm unverständlich. Es schien, als hätte er seine eigene Identität vergessen.
Nimāi sagte dann: „Lege dieses Gedicht erst einmal beiseite und komponiere ein anderes.“ O weh! Trotz allem war der große weltbezwingende Paṇḍit jetzt leider nicht mehr imstande, auch nur eine einzige Strophe zu komponieren. Er saß in einem Zustand der totalen Fassungslosigkeit vor dem Herrn.
Natürlich waren sogar die personifizierten Veden von der Anwesenheit des Herrn verblüfft. Mächtige Persönlichkeiten wie Ananta Śeṣa, Brahmā und Śiva – jeder von ihnen kann durch einen einzigen Blick Universen erschaffen - waren durch die Anwesenheit des Herrn auch verwirrt. Die Verwirrung des Digvijāya Paṇḍita vor dem Herrn war nicht überraschend, weil sogar Mutter Lakṣmī, Mutter Sarasvatī und Māyā die inneren Energien des Herrn, die die ganze Schöpfung täuschen können – von dem Höchsten Herrn getäuscht werden und deshalb bleiben sie immer in einer untergeordneten Stellung. Sogar der Vortragende der Veden, Lord Śeṣa, und der Verfasser der Veden, Śrī Vedavyāsa, sind in der Anwesenheit des Herrn verwirrt, was zu sprechen von Digvijāya Paṇḍita.
Den Fähigkeiten des Herrn kommt kein Mensch gleich, deswegen sage ich, dass alle Seine Aktivitäten außergewöhnlich sind. Überdies, was immer der Höchste Herr macht, ist letztendlich für den Gewinn der leidenden Lebewesen, um sie von den materiellen Bindungen zu lösen. Während der Digvijāya Paṇḍit damit kämpfte, seine schändliche Niederlage zu schlucken, begannen seine Studenten zu lachen und aufgeregt zu kichern. Der Herr stoppte sie sofort und sprach sanfte, beruhigende Worte zum Pandit: "Lasst uns für heute hier enden: Bitte kehre zu Deinem Hause zurück und morgen können wir unsere Diskussion fortsetzen. Du musst jetzt müde sein, nachdem Du solch eine lange Rezitation verfasst hast. Es ist jetzt auch schon sehr spät; bald ist es Zeit, schlafen zu gehen.“
Das Benehmen des Herrn war so liebenswürdig und mitfühlend, dass sogar eine besiegte Person nicht unter einer Demütigung litt. Obwohl der Herr aus Seinen Debatten immer siegreich hervorging, verachtete Er niemals den großen Gelehrten. Deswegen war jeder zufrieden. Die Gelehrten und Lehrer von Navadvīpa waren dem Herrn gegenüber, wegen dieser süßen Gesinnung, sehr wohlwollend eingestellt.
Der Herr und Seine Studenten verließen die Versammlung, um nach Hause zu gehen, aber der Digvijāya blieb allein zurück; völlig beschämt und niedergeschlagen. Er dachte bei sich: „Mutter Sarasvatī persönlich gab mir diese Segnung. Ich habe in der ganzen Welt niemanden getroffen, der es gewagt hat, mich in einer Debatte zu konfrontieren. Weder die sachkundigen Gelehrten in den sechs philosophischen Zweigen, nyāya, vaiśeṣika, sāṅkhya, pātañjali, mimāṁsā oder Vedānta, noch die Gelehrten des śāstra wagten es meine Autorität anzufechten. Wie ist es möglich, dass der Herr diesen bedeutungslosen Grammatiklehrer für Kinder erlaubt hat, mich auf diese Weise zu besiegen? Ich bin konsterniert, wenn ich mitansehen muss, wie die Macht von Mutter Sarasvatī auf diese Weise unterminiert wird. Auf welche Weise habe ich gegen die Göttin Vergehen begangen, dass alle meine Talente und all mein Wissen in dieser demütigenden Niederlage verunglimpft werden? Ich muss die Ursache dieser Situation ermitteln.“ Auf diese Weise dachte er und chantete sein mantra für einige Zeit und legte sich dann an seinem Platz zum Schlafen nieder.
In seinem Traum sah Mutter Sarasvatī voller Mitgefühl auf den brāhmaṇa und wandte sich vertraulich an ihn. „Oh gelehrter brāhmaṇa, höre mir zu. Ich werde dir nun das Wissen offenbaren, das sogar in den Veden verborgen ist. Solltest du aus irgendeinem Grund dieses Geheimnis irgendjemandem enthüllen, wirst du sofort deinen Körper aufgeben müssen. Die Person, die dich heute besiegte, ist in der Tat der Höchste Herr der gesamten kosmischen Manifestation. Ich bin eine ewige Dienerin Seiner Lotosfüße und aus Schüchternheit zögere ich, vor Ihm zu stehen.“
„Im Śrīmad Bhāgavatam wird erwähnt: „Die illusorische Energie des Herrn schämt sich ihrer Stellung und kann keine vorrangige Position einnehmen, aber diejenigen, die verwirrt sind, sprechen fortwährend Unsinn und sind in Gedanken vertieft wie, ' Ich bin es' und 'es ist mein.'“
„In der Anwesenheit des Herrn war es für mich unmöglich, so wie in der Vergangenheit, auf der Spitze deiner Zunge zu erscheinen. Ich habe meine Macht verloren, aber das ist nicht meine Schuld. Wie könnte es anders sein? Sogar Lord Ananta Śeṣa, der die Veden mit Seinen Tausenden von Mündern rezitiert, Lord Brahmā und Lord Śiva und all die anderen Halbgötter verehren Ihn und sind in Seiner Anwesenheit vollständig verwirrt, was zu sprechen dann von mir? Er ist die Höchste Absolute Wahrheit, ewig, rein, unteilbar und unfehlbar. Er ist der allmächtige Höchste Herr, der im Herzen eines jeden als Überseele weilt.“
„Diese Person, die vor dir als junger brāhmaṇa erschienen ist, ist niemand anderes als die Höchste Persönlichkeit Gottes, die letztendliche Ursache der Vernichtung der gesamten kosmischen Manifestation. Er ist die Ursache der Dualitäten, der fruchtbringenden Aktivitäten, Wissen, Gelehrtheit, gut und schlecht, manifestiert und unmanifestiert – von allem.“
„Es ist Sein Wunsch, dass alle Lebewesen angefangen von Lord Brahmā, Glück und Leid erfahren. Er ist die Höchste Quelle aller Inkarnationen, wie Matsya, Kūrma und anderen. Er ist es, der als Varāha erschien, um die Welt empor zu heben und wieder als Nṛsiṁhadeva, um Seinen Geweihten Prahlāda zu beschützen. Er erschien auch als Lord Vāmana, um Bali Mahārāja zu überlisten und dadurch wurden Seine Lotosfüße die Quelle der Gaṅgā. Er erschien als Lord Rāmacandra in Ayodhyā und führte viele wundervolle Spiele aus und tötete letztendlich den Dämonen Rāvana. Er, der als der Sohn von Śrī Vāsudeva und Śrī Nanda Mahārāja bekannt ist, ist nun als ein junger brāhmaṇa erschienen, der in der Gemütsstimmung eines Gelehrten versunken ist.
„Wo in den Veden wird die Inkarnation des Höchsten Herrn offen enthüllt? Wer kann diese Wahrheit Kṛṣṇa erkennen, wenn der Herr Seine Identität nicht Selbst offenbart? Der größte Gelehrte der Welt zu werden, ist nicht wirklich das Ergebnis vom Chanten des mantras, das ich dir gegeben habe. Du hast nun das tatsächliche Ergebnis erhalten – du warst in der Lage, persönlich die Höchste Persönlichkeit Gottes zu sehen, den Herrn der gesamten kosmischen Schöpfung.“
„Oh brāhmaṇa, geh schnell zu ihm und nimm Zuflucht bei Seinen Lotosfüßen. Gib dich Ihm völlig hin. Glaube nicht, dass mein Ratschlag ein Traum oder eine Halluzination ist. Die Macht hinter dem mantra, das du chantest, hat mich hierher gebracht und hat mich gezwungen, das esoterischste Wissen der Veden zu offenbaren.“
Mutter Sarasvatī verschwand, nachdem sie dem paṇḍita Trost zugesprochen hatte. Er erwachte und fühlte sich geläutert und vom Glück begünstigt. Die frühe Dämmerung hatte gerade den östlichen Himmel berührt, als er zum Haus des Herrn ging. Er warf sich Nimāi Paṇḍita zu Füßen, um Ihm Ehrerbietung zu erweisen und der Herr erwiderte dies, indem Er ihn aufhob und umarmte: „Warum, du! Warum verhältst du dich auf diese Weise?“ „Damit ich deine gütige Gnade auf mich lenken kann“, erwiderte der Paṇḍita. „Aber du bist der berühmte und hochgelehrte Digvijāya. Warum näherst du dich Mir auf diese Weise?“
„Oh Herr der gelehrtesten brāhmaṇas, bitte höre mich. Die höchste Vollkommenheit in allen Aktivitäten wird erreicht, wenn man einfach Dich verehrt. Du bist die Höchste Persönlichkeit Gottes, Nārāyaṇa. Du bist als brāhmaṇa in diesem Zeitalter des Kali erschienen, aber niemand hat die Macht, Deine wahre Identität zu erkennen. Verwirrung kam in mein Herz genau in dem Moment, als Du mir Fragen stelltest und ich mich selbst schweigend fand. Nun habe ich persönlich die Erkenntnis gemacht, dass Du edelmütig und frei von falschem Stolz bist; und diese meine Erkenntnis steht in Übereinstimmung mit der Schlussfolgerung aller vedischen Schriften überein.“
„Du hast mich dreimal besiegt und dennoch hast Du meine Ehre intakt gelassen. Ist ein solches Verhalten für jemand anderen als den Höchsten Herrn, möglich? Ich bin überzeugt, dass Du diese Höchste Persönlichkeit Gottes bist.
„Ich bin weit und breit umhergereist – Gauḍa, Trihuta, Kāśī, Gujarāta, Vijayanagara, Aṅga, Baṅga, Tailaṅga, Oḍhra und viele andere Orte. An jedem Ort wurden die qualifizierten Gelehrten sehr leicht von mir besiegt. Sie konnten nicht einmal meine Diskurse verstehen, wie konnten sie dann Fehler finden? In Deiner Anwesenheit, jedoch, schien es, als sei all meine Bildung und mein Intellekt entflohen und ich weiß nicht wohin. Ich weiß nun, dass das keine außergewöhnliche Meisterleistung von Dir war, weil Du der Herr und Meister von Mutter Sarasvatī bist. Das hat mir Sarasvatī persönlich offenbart.“
„Ich wälzte mich in der materiellen Existenz, aber aufgrund meines unermesslich guten Schicksals kam ich nach Navadvīpa und traf Dich von Angesicht zu Angesicht. Ich war von dem Wunsch nach materiellem Wissen fasziniert, und durch meinen Selbstbetrug getäuscht, streifte ich umher und lehnte wahres Wissen ab. Das Schicksal hat es wohlgemeint mit mir und dadurch habe ich Dich persönlich getroffen. Oh Herr, bitte läutere mich mit Deinem wohlwollenden Blick und vernichte meine Unwissenheit. Du hast eine edelmütige Natur und Du hast die Neigung andere zu begünstigen, also gibt es niemanden außer Dich, bei dem ich Zuflucht suchen kann. Oh Herr, bitte unterweise mich, damit ich nie wieder unheilige Wünsche in mein Herz eintreten lasse.“
Der Digvijāya Paṇḍita sprach reumütig, wie ein sanftmütiger und unbedeutender Mann vor dem Herrn. Śrī Gaurasundara erwiderte: „Oh gelehrter brāhmaṇa, du bist sehr vom Glück begünstigt, weil Mutter Sarasvatī auf deiner Zungenspitze residiert. Nichtsdestoweniger, die Welt mit weltlichem Wissen zu erobern ist für jemanden, der wahres Wissen besitzt, kein erwünschtes Ziel. Wissen wird erst dann kostbar, wenn es die Verehrung des Höchsten Herrn steigert. Versuche das sorgfältig zu verstehen. Wenn der Tod zuschlägt und die Seele gezwungen wird, den Körper zu verlassen, dann kann niemand sein materielles Wissen oder seinen Reichtum mit sich nehmen. Deswegen lehnen die gelehrten und selbstverwirklichten Seelen die zeitweilige Existenz der Phänomene ab und beschäftigen sich mit reinem Vertrauen im hingebungsvollen Dienst des Herrn.“
„Nun, Oh brāhmaṇa, lege alle belanglosen Verpflichtungen ab und nütze deine Zeit für den Rest deines Lebens damit, die Lotosfüße von Śrī Kṛṣṇa zu verehren. Denke immer daran, dass die Frucht des wahren Wissens erst gekostet werden kann, wenn das Herz und der Geist entschlossen an den Lotosfüßen von Lord Śrī Kṛṣṇa angehaftet sind. Von allen Aktivitäten ist der hingebungsvolle Dienst zum Höchsten Herrn, Viṣṇu, die einzige Manifestation der Absoluten Wahrheit. Das ist Mein Ratschlag, den Ich dir anbiete.
Lord Gaurasundara umarmte den Paṇḍita, und sofort fielen die Fesseln der materiellen Existenz von dem Digvijāya ab. Der Herr sagte: „Oh brāhmaṇa, zügle deine Arroganz und Frechheit, verehre Kṛṣṇa und sei allen Lebewesen freundlich gesinnt. Sei sehr vorsichtig, dass du nichts enthüllst von dem, was dir Mutter Sarasvatī gesagt hat. Das vertrauliche Wissen der Veden unautorisierten Personen zu enthüllen, verkürzt die Lebensspanne und bringt einen vom spirituellen Pfad ab.“
Nachdem der Digvijāya Paṇḍita die Anweisungen des Herrn erhalten hatte, bat er um Erlaubnis, gehen zu dürfen. Er warf sich wiederholt vor die Lotosfüße des Herrn nieder und brachte seine Ehrerbietung dar, sprach Gebete und fühlte sich vom Glück begünstigt und geläutert. Durch die Gnade des Herrn war der brāhmaṇa sofort gesegnet mit der Loslösung von materiellen Angelegenheiten, mit der Wahrnehmung der Absoluten Wahrheit und der Hingabe zum Höchsten Herrn. In wenigen Augenblicken löste sich die Arroganz und Eitelkeit des brāhmaṇa auf und er wurde bescheiden und sanft wie ein Grashalm. Er gab alles auf – seine Elefanten, Pferde, Sänften, Geld und die unerwünschte Gemeinschaft, die er vorher hatte. Die Barmherzigkeit von Gauracandra hatte solch eine wundersame Wirkung, dass der brāhmaṇa Digvijāya alles aufgab und alleine reiste.
Durch die Barmherzigkeit des Herrn kann ein König seinen Palast verlassen und frohen Sinnes die Schale eines Bettlers aufnehmen. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist Śrīla Rūpa Gosvāmī, der auch als Śrī Dabira Khāsa bekannt war. Er verließ seine königliche Stellung als Minister, um im Wald von Vṛndāvana zu leben. Ein Diener Kṛṣṇas kann leicht den materiellen Reichtum, Stellung und Prestige, das von gewöhnlichen Menschen ersehnt wird, ignorieren. Jede Person, die den Wert des hingebungsvollen Dienstes zu dem Höchsten Herrn nicht erkannt hat, wird natürlich die Position eines Königs als sehr angenehm und beneidenswert betrachten.
Für den Geweihten Kṛṣṇas ist sogar das Glück, das von der Befreiung herrührt, bedeutungslos. Deswegen haben für ihn bloße königliche Annehmlichkeiten keinerlei Konsequenzen. Wahrheit und wahres Glück liegen einzig und allein im barmherzigen Blick des Höchsten Herrn und deswegen geben die Veden jedem den Rat, dem barmherzigsten Herrn zu dienen.
Lord Gaurasundaras wundervoller Sieg über den Digvijāya und der darauffolgende Gesinnungswandel des Pandits war bald in jeder Ecke von Nadia bekannt. Die Leute waren erstaunt über diese Neuigkeiten und sie kommentierten: „Nimāi Paṇḍita muss ein wahrhaft großer Gelehrter sein, dass sogar der Digvijāya, der größte aller paṇḍitas, von Ihm gedemütigt wurde. Nimāi Paṇḍita hat sich nun unserer Lobpreisung als würdig erwiesen, und Sein Ruhm wird sich ganz bestimmt überall verbreiten.“
Jemand sagte: „Wenn dieser brāhmaṇa Junge Logik studiert, dann kann er sofort den höchsten Titel, 'Bhaṭṭācārya', für Sich beanspruchen".
Ein anderer schlug jedoch vor: „Lasst uns Ihm gemeinsam den Titel 'Bādisiṁha' anbieten, gleich jetzt.“
Die illusionierende Energie des Herrn war so stark, dass, obwohl jeder Zeuge Seiner Wunder war, niemand Seine esoterische Identität wahrnehmen konnte. Von da an diskutierten die Leute von Nadia nur noch Nimāis Sieg über den Digvijāya. Ich bringe meine Ehrerbietung den Füßen aller Einwohner von Navadvīpa dar, da sie das Glück hatten, die transzendentalen Aktivitäten des Herrn zu sehen.
Wer auch immer dieses Spiel, 'Wie der Herr den Digvijāya Paṇḍita besiegt hat' voller Vertrauen und Aufmerksamkeit hört, wird immer siegreich sein, und wer auch immer über Seine faszinierenden Spiele als Gelehrter hört, wird sofort sein ewiger Diener werden.
Śrī Kṛṣṇa Caitanya und Nityānanda Prabhu sind mein Leben und meine Seele. Ich, Vṛndāvana dāsa, eine unbedeutende Seele, bringe demütig dieses Lied Ihren Lotosfüßen dar.